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Ein Pflanzenschädling
macht sich auch nützlich

ZiF-Tagung über Bodenbakterium Xanthomonas


Bielefeld (sas). Xanthomonas ist mit bloßem Auge nicht zu sehen. Aber das Bodenbakterium beschäftigt Wissenschaftler in aller Welt. Denn Bakterien aus der Gruppe der Xanthomonaden verursachen in der Landwirtschaft immense Schäden und Ertragsminderungen. Deswegen auch diskutieren derzeit etwa 60 Wissenschaftler aus zwölf Ländern im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität die Xanthomonas-Genomforschung.
Ausgerichtet wird die Tagung von dem an der Uni Bielefeld angesiedelten Kompetenznetzwerk »Genomforschung an Bakterien für den Umweltschutz, die Landwirtschaft und Biotechnologie«; es ist eines von bundesweit drei Netzwerken, in dem mehr als 20 Kooperationspartner aus Universitäten, Forschungsinstituten und Industrie zusammen arbeiten. Die Tagungsleitung liegt bei Prof. Dr. Alfred Pühler und Dr. Werner Selbitschka.
Xanthomonaden, erklärt Pühler, sind nicht wählerisch: Sie befallen viele Pflanzen. Die Bielefelder Biologen richten ihr Augenmerk auf die Bakterien, die dem Kohl zusetzen, die brasilianischen Kollegen widmen sich den Zitrusfrüchten, die Japaner, Chinesen und Koreaner den Reis-Schädlingen.
Im Bielefelder Netzwerk hat Ulla Bonas (Halle-Wittenberg) das Genom des Erregers Xcv entschlüsselt, der die Fleckenkrankheit von Paprika- und Tomatenpflanzen auslöst. »Es besteht aus 4700 Genen, von denen 3000 bekannt sind.« Von besonderer Bedeutung sind die Gene, die die Pflanzenkrankheit auslösen. »Der Mechanismus ist völlig neu. Xcv sticht eine pflanzliche Zelle an und lagert in ihr Proteine ab, die sie umorganisieren. Die Zelle wird also quasi von einem Organismus, der außerhalb lebt, so gesteuert, dass sie ihm Nährstoffe liefert«, erklärt Pühler. Diese Erkenntnis soll dazu beitragen, »Xanthomonas campestris pv. vesicatoria« umweltfreundlich zu bekämpfen.
Nun sind Xanthomonaden nicht nur schädlich: Sie machen sich durchaus auch nützlich. »Das Bodenbakterium produziert auch das Oberflächenpolysaccharid Xanthan. Es wird in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie als Verdickungsmittel eingesetzt.« Xanthan findet sich in Zahnpasta ebenso wie in Joghurt - und vermag die nach BSE in die Diskussion gekommene Gelatine zu ersetzen.
Das Bakterium produziert Xanthan als eine etwas schleimige Schutzhülle, die zugleich das Austrocknen verhindert und die Infektionsabwehr der Wirtspflanze behindert. Die bakterielle Xanthan-Produktion zu forcieren ist Ziel eines Projektes von Dr. Anke Becker und Dr. Karsten Niehaus, Uni Bielefeld. Sie arbeiten in diesem vom Bundeswissenschaftsministerium geförderten Projekt mit der Degussa AG zusammen; die unterhält in Frankreich eine Xanthan-Produktion.

Artikel vom 28.10.2005