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Der »Chiemgauer« (unten) diente als Vorbild für die neuen Ein-, Zwei- und Fünftaler-Scheine (oben).

Erste »Teutotaler« der
Druckpresse entschlüpft

Tagung zu Regiogeld - Spezialwährung kommt 2006

Von Gerhard Hülsegge
(Text und Fotos)
Bielefeld (WB). Jetzt wird es ernst: Die ersten »Teutotaler« sind gedruckt. Mit der Komplementärwährung sollen ab 2006 in Bielefeld - neben dem Euro - Waren und Dienstleistungen verschiedenster Art bezahlt werden können.

»Wir tun nichts Ungesetzliches«, versicherte Friedbert Bachmann (52; Künstlername »Pan Tausendschön«) gestern bei der Vorstellung des Regiogeldes nach dem Vorbild des »Chiemgauers« aus dem bayerischen Prien. Der Gründer der ökologischen Wohnbaugenossenschaft in Quelle hat die neuen Scheine entworfen, die den Harlekin und Buddha mit Mond- und Sommergesicht zeigen. Die in Prototypen als Ein-, Zwei und Fünftaler-Scheine gedruckten Zahlungsmittel werden vom neu gegründeten Verein »Momo« herausgegeben (das WESTFALEN-BLATT berichtete bereits), der die Zinswirtschaft nicht nur für ungerecht hält, sondern auch als wirtschaftlich schädlich ansieht.
Grund für die horrende Verschuldung nicht nur des Staates, sondern auch vieler Privatpersonen sind nach Ansicht von Dr. Hans-Bernd Neumann (41), Pfarrer der freikirchlichen Christengemeinschaft in Schildesche, der Zinseszins und seine Exponential(Verdoppelungs-)- Funktion. »Wer heute fünf Prozent Zinsen zahlt, dessen Schuld hat sich nach 14 Jahren verdoppelt«, rechnet der promovierte Physiker vor. 6,5 Milliarden Menschen arbeiteten schon jetzt zwischen drei und vier Stunden täglich, um 400 Reiche (mit jeweils mehr als einer Milliarde Vermögen) noch reicher werden zu lassen.
Regio(nal)geld, 1:1 gegen den Euro eingetauscht, könne dagegen bei galoppierender Inflation selbst vor einer Währungsreform schützen. Davon ist auch Elisabeth Anders (76), Rentnerin und Vorstandsmitglied des vom Neurobiologen Dr. Konrad Lehmann geführten und nach Michael Endes Roman »Momo« benannten Vereins überzeugt. Um den Taler in Umlauf zu halten, ist sein Besitz mit einem vierteljährlichen »Negativ-Zins« von wenigen Cent belegt. »Das funktioniert wie beim Schwarze-Peter-Spiel«, erklärt Dr. Neumann. »Jeder wird bestrebt sein, ihn möglichst rasch wieder einzuwechseln.« Später sei nicht ausgeschlossen, dass Unternehmen sogar Gehaltserhöhungen in Talern vornehmen.
»Noch sind wir allerdings in der Phase des Klinkenputzens«, erklärte der Pfarrer gestern. Die Geschäftsleute müssten nur verstehen, dass mit dem Teutotaler einfach mehr Umsatz und Kundenbindung möglich sei. Seine Einführung als »Rabattkarte« sei vom Gesetzgeber gedeckt.
Mindestens 30 Gewerbetreibende sollen mitmachen, damit der inflationsresistente Tauschhandel funktioniert. Die Werbegemeinschaft Schildesche hat laut Neumann bereits »herzliches Interesse« signalisiert.
Wer mehr über nachhaltiges regionales Wirtschaften wissen möchte, kann sich bei der Regionalgeld-Tagung am Freitag und Samstag, 4./5. November, im Ravensberger Seniorenzentrum (Gutenbergsaal) an der Ravensberger Straße 10a eingehend informieren. Am Freitag, 19 Uhr, referiert Professor Dr. Wolfgang Berger aus Karlsruhe über das herrschende Geldsystem und seine Auswirkungen. Am Samstag, 9.30 Uhr, erläutert Prof. Dr. Margrit Kennedy aus Steyerberg (Niedersachsen) das Prinzip des Regiogeldes. Um 14 Uhr moderiert Dr. Hans-Bernd Neumann die Vorstellung der Teutotaler- Initiative. Für den Samstag wird um telefonische Anmeldung unter der Rufnummer 05 21 / 9 82 53 48 gebeten. Kostenbeitrag: 30 bis 50 Euro nach Selbsteinschätzung.

Artikel vom 27.10.2005