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»Unterschwellig« läuft nicht viel

Dr. Scharlau über Werbung und Lernen

Bielefeld (sas). Ingrid Scharlau hatte für ihre Zuhörer eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute vorweg: Die Sorge vor der Manipulation durch unterschwellige Werbung ist unbegründet; sie funktioniert nämlich nicht. Die schlechte Nachricht: Auch unterschwelliges Lernen ist zur Erfolglosigkeit verdammt. Das Einzige, was hier etwas bewirkt, ist der Glaube, der ja bekanntlich auch Berge versetzt.

»Horror oder Hoffnung - über die Macht unterschwelliger Botschaften« hat die Psychologin der Universität Bielefeld auf Einladung von Bielefeld 2000plus am Mittwochabend in der Ravensberger Spinnerei gesprochen. Und den Zuhörern eben vermittelt, dass unterschwellige Manipulationen im Guten wie im Schlechten nicht so leicht greifen.
»Unterschwellig bedeutet, dass die Information so maskiert ist, dass sie auch dann nicht zu entdecken ist, wenn man sie sucht.« Was bedeutet, dass sie nutzlos ist. »Faktisch ist so etwas nicht machbar. Nur im psychologischen Experiment schaffen wir es, Informationen so kunstvoll zu verpacken.« Ziel der Wissenschaftler ist es, dadurch zu erfahren, wie Botschaften bewusst und unbewusst verarbeitet werden, ebenso aber, wieviel unbewusst geregelt wird und wozu letztlich Bewusstsein benötigt wird.
Problemlösen und Erkenntnis setzen die bewusste Verarbeitung von Information voraus. Eine unbewusste Information wirkt nur, erklärt Ingrid Scharlau, wenn sie nicht zu komplex ist und es eine darauf bezogene Absicht, also ein Interesse des Adressaten gibt. Aber selbst dann, darf eine Botschaft nicht zu unterschwellig daherkommen. »Es gibt aus den 50er Jahren die urbane Legende von James Vicary, dass er in Filme quasi unmerklich die Botschaft 'Trink Coca Cola' oder 'Iss Popcorn' eingebaut und damit den Konsum im Kino gesteigert habe. Aber das ist wirklich nur eine Legende, und der Versuch war in Folgeexperimenten nicht zu verifizieren«, erklärt die Psychologin.
Mit anderen Worten: Werbung wirkt über- aber nicht unterschwellig. Sie zu gekonnt zu verstecken bringt nichts. Ebenso aber wirkt auch das unterschwellige Lernen nicht - »auch wenn es einen lukrativen Markt für diese Kassetten gibt«, sagt Ingrid Scharlau und betont: »Weder Latein, noch Selbstbewusstsein, noch Verkaufstalent sind unterschwellig zu erwerben.« Zwar wird verheißen, dass die einschlägigen Kassetten Wissen und Botschaften versteckt transportieren, aber Wellenrauschen und Vogelgesang darauf, so die Wissenschaftlerin, maskierten lediglich das Nichts. Mit allen ausgeklügelten technischen Tricks seien die vermeintlichen Informationen nicht zu entdecken gewesen. Das tolle Versprechen, Wissen anzuhäufen ohne sich bemühen zu müssen, sei also kaum zu halten, und die Kassetten bringen etwa soviel wie ein Vokabelheft unter dem Kopfkissen. »Immerhin aber wirken diese Kassetten über den Placebo-Effekt.« Die Gedächtnisleistung ist damit vielleicht nicht zu verbessern, aber den angeblichen unmerklichen Einflüsterungen, dass man Selbstvertrauen habe, mag der eine oder andere glauben.

Artikel vom 28.10.2005