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»Qual darf nicht umsonst sein«

Jochen Bakalorz schindet sich  seit vier Monaten für die Bodybuilding-DM

Von Marco Purkhart (Text und Fotos)
Gütersloh (WB). Die vergangenen vier Monate waren für Jochen Bakalorz kein Zuckerschlecken. Der 46-Jährige hat sich täglich vier bis fünf nicht enden wollende Stunden in der »Muckibude« abgequält, eine knallharte Diät eingehalten und sich dreimal die Woche unterm Solarium brutzeln lassen. Mit nur einem Ziel vor Augen: Er will der erste Gütersloher Kraftsportler sein, der bei der Deutschen Bodybuilding-Meisterschaft im Superschwergewicht antritt.

Die Vorbereitungsphase hat es in sich: Kniebeugen mit 200 kg im Genick oder sogar das dreifache Giganten-Gewicht in der Beinpresse bezwingen - und zur Belohnung gibt's die eintönige Fitness-Kost aus Reis, Fisch, Pute, Ananas, Rosinen und Protein-Drinks. Bakalorz hat sich damit von 127 kg auf ein akzeptables Körpergewicht von 107 kg heruntergearbeitet. Illegale Aufbaumittel habe er dabei nicht genutzt: »»Da fliege ich sofort durch jede Dopingkontrolle«. Er fühlt sich auch ohne verbotene Hilfe topfit: »Jetzt sehe ich wenigstens nicht mehr aus wie ein vollgesogener Schwamm.« Nur die Haut könnte noch ein wenig mehr Tönung vertragen, sonst gleiche er im Scheinwerferlicht käsig einem »rasierten Hähnchen«.
Apropos Geflügel: Pumpt Bakalorz sich seine Schultern wie ein prächtiger Bulle auf, streckt im Vergleich dazu jedoch lediglich eine Hühnerbrust hervor, hätte er in seiner Sportart keine Chance. Wahlloser Muskelaufbau bis zum Maximum ist völlig deplatziert. Es kommt auf die Harmonie der Proportionen an. Denn: »Definition geht vor Masse«, wie der gelernte Kaufmann nur zu gut weiß. Man müsse vor der Jury »symmetrisch rüberkommen«.
Doch 20 Jahre Mitgliedschaft in Güterslohs ältestem Fitness-Studio, der »Body Factory«, können nur die physischen Grundlagen schaffen. Was fehlt, ist die Bühnenerfahrung, die Fähigkeit zum Posen. Denn die prüfenden Blicke der Jury sind erbarmungslos: Wer in den ersten beiden Kategorien eines jeden Wettbewerbs, dem Line-up und dem Pflichtposen, den kleinsten Makel offenbart, fliegt raus. »Dann waren all die Monate langen Qualen für die Katz'«, hofft Bakalorz, dass er zu den sechs Auserwählten gehören wird, die es bis ins Turnier-Finale schaffen.
Dort findet dann die Posingkür statt, das Präsentieren der Muskeln in einer Art Choreographie. Eine Minute lang muss der Bodybuilder zu einer selbst gewählten Musik performen. Jochen Bakalorz hat sich für Sarah Connors poppig-flottes »From Zero To Hero« entschieden. »Da muss jede Millimeter-Bewegung zur Melodie passen. Das zu studieren, fiel mir am schwierigsten«, gibt Bakalorz zu. Daher holte er sich Unterstützung vom Gütersloher Andreas Lang, der bereits mehrfach Deutscher Meister in der Gewichtsklasse bis 70 kg wurde.
Bakalorz will diesen Ruhm jetzt allerdings als Super-Schwergewicht in der höchsten Kategorie ab 90 kg in die Dalkestadt holen. Weil die heimische »Body Factory« Mitglied im Deutschen Bodybuilding- und Fitnessverband (DBFV) ist, darf er an zwei Qualifikationswettbewerben zur DM teilnehmen: Am kommenden Dienstag geht's auf zum »5. Internationalen Rhein-Necker-Pokal« in Mannheim, vier Tage darauf folgt der Bühnenauftritt bei der »NRW-Landesmeisterschaft« in Duisburg. Übersteht Bakalorz vor 1000 Zuschauern in einem von beiden Turnieren die drei Runden (Line-up, Pflichtposen, Posingkür) und wird zudem Erster oder Zweiter, hat er das Ticket zur Deutschen Meisterschaft in München gelöst.
Bei einem unbedeutenden Probelauf vor 100 Beobachtern in Dortmund erhielt er vergangenen Samstag übrigens vom Oberschiedsrichter unter vier Augen eine verheißungsvolle Einschätzung: »Er meinte, ich werde ganz vorne mit dabei sein. Und das gleich bei meinem ersten Auftritt.« Es scheint, als habe sich Bakalorz genau den richtigen Song auserkoren - »From Zero To Hero«.

Artikel vom 27.10.2005