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Die Sache mit dem Teilen
Es ist nicht leicht - aber hinterher geht es allen besser
Der Heilige Martin teilte seinen Mantel mit einem Armen. Und beim St.-Martins-Umzug lernen Malte und Mark, dass es auch heute noch gut ist, zu teilen.
Es ist der 11. November. In dem Dorf, in dem Mark und Malte wohnen, gibt es am Martinstag immer einen großen Laternenumzug mit Blaskapelle. Die beiden Brüder können kaum erwarten, dass es Abend wird.
Tagsüber schaut Malte immer wieder aus dem Fenster, um zu sehen, ob es schon ein bisschen dunkler geworden ist. Vor lauter Aufregung lässt er in seinem Zimmer das Rollo herunter und knipst seine Laterne immer wieder an und aus. Als die beiden mit ihrer Mutter am Abend zum Umzug gehen, leuchtet Maltes Laterne nur noch schwach. Die Glühbirne geht schließlich ganz aus, und Malte guckt traurig.
»Dann müsst ihr euch Marks Stab eben teilen«, sagt die Mutter und schlägt vor, nach jedem Lied den Laternenstab zu wechseln. »Der Heilige Martin hat auch geteilt. Deshalb feiern wir doch überhaupt dieses Fest!«, erklärt sie.
Mark verdrehte die Augen. Im Prinzip findet er die Sache mit dem Teilen nicht schlecht. Gerne würde er seinen Wintermantel mit einem Schwert durchteilen und jemandem damit eine Freude machen. So wie St. Martin. Seinen Mantel mag er nämlich nicht besonders, und ein Schwert wollte er immer schon besitzen. Aber seinen Laternenstab jetzt mit Malte zu teilen, das fällt ihm ganz schön schwer.
Trotzdem macht er es. Malte und seine Mutter lächeln dankbar. Sie singen noch viel, tauschen nach jedem Lied den Laternenstab und schauen sich dann das Martinsspiel mit dem Feuer an.
Mittlerweile ist es richtig kalt geworden. Trotz Mütze, Schal, Stiefeln und Handschuhen bibbern Malte und Mark. Aber sie wollen unbedingt noch auf die Stutenkerle warten, die nach dem Martinsspiel verteilt werden. Vom vielen Marschieren haben die Jungen nämlich ordentlich Hunger.
Als Malte sich seinen Stutenkerl schnappen will, rutscht er ihm durch die Handschuhe und landet in einer schlammigen Pfütze. Die Mutter streichelt Malte tröstend über den Kopf, dann sieht sie Mark bittend an. »Ja, ja«, murmelt Mark, »immer schön teilen«, bricht seinen Stutenkerl in der Mitte durch und gibt die Hälfte seinem Bruder.
Als er abends im Bett liegt, denkt Mark noch lange nach. Eigentlich war es ein schöner Martins-Umzug. Die Sache mit dem Teilen war allerdings nicht so einfach. Etwas abzugeben, was man selber noch gut gebrauchen kann, ist schwer. Das hat er gemerkt. Trotzdem war es schön, dass sein Bruder sich gefreut hat. Das hat auch Mark froh gemacht.
Das einzige, was ihn nun noch stört, sind seine eiskalten Füße. Doch da kommt ihm eine Idee. Leise schleicht er ins Schlafzimmer seiner Eltern und schlüpft unter die Bettdecke seiner Mutter. Die murmelt nur irgendetwas wie: »Das ist aber eng!« Mark grinst im Dunkeln. »Man soll immer schön teilen!«, sagt er. Dann wärmt er sich die kalten Füße an den warmen Beinen seiner Mutter - und schläft zufrieden ein.

Artikel vom 05.11.2005