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Ausländerämter am Pranger

Richter kritisieren Missstände - Islamistische Terroristen verurteilt

Düsseldorf (dpa). Für die Planung von Anschlägen auf Juden in Deutschland sind drei Terroristen der islamistischen Gruppe El Tawhid in Düsseldorf zu sechs bis acht Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Nur die Wachsamkeit der Sicherheitsbehörden habe die Terrorakte verhindert, sagte der Vorsitzende Richter des Düsseldorfer Oberlandesgerichts, Ottmar Breidling, gestern. Ein algerischer Unterstützer und Waffenbeschaffer der Gruppe erhielt fünf Jahre Haft. El Tawhid wird zum Netzwerk der El Kaida gezählt.
Das Oberlandesgericht prangerte bei der Urteilsverkündung »unglaubliche Missstände« bei deutschen Ausländerbehörden an. »Das Verfahren hätte bei konsequenter Anwendung des Ausländerrechts nicht stattfinden müssen«, sagte Breidling. Angeklagte hätten sich mit falschen Namen und erfundenen Geschichten Sozialhilfe und ihre Duldung in Deutschland erschleichen können, obwohl sie zum Teil als Drogenhändler vorbestraft waren.
Bei frühzeitiger Abschiebung wäre Deutschland nicht nur von einer ernsten Anschlagsgefahr verschont geblieben, sondern hätte sich auch zwei überaus teure Strafverfahren ersparen können. Vier Zeugen seien während des Prozesses aufgefallen, weil ihnen unter falschem Namen sogar die Einbürgerung gelungen war, obwohl sie nicht einmal deutsch sprachen. Es scheine dringend geboten, die Praxis zu überprüfen.
Die Anschläge habe El Tawhid-Chef Abu Mussab al-Sarkawi persönlich angeordnet, der auch für den Terror im Irak verantwortlich sein soll. Das Motiv der Terroristen sei »abgrundtiefer Hass auf Juden, Israel und alle Ungläubigen«. Das Bundeskriminalamt habe das entscheidende Telefonat Sarkawis kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York von einem Satellitentelefon in Iran mitgehört.
Im April 2002 waren die Mitglieder der deutschen Terrorzelle dann verhaftet worden. Bundesinnenminister Otto Schily begrüßte das Urteil »im Sinne der strikten Bekämpfung des Terrorismus«.
Die drei Palästinenser wurden vom Staatsschutzsenat des Gerichts wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt.
Der Senat kritisierte auch die Verteidiger. Sie hätten Berufskriminelle mit dreisten Lügengeschichten präsentiert, um die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen zu erschüttern. Zudem hätten sich Anwälte mit Zeugen zu heimlichen Gesprächen getroffen - diese Vorgänge würden inzwischen von der Staatsanwaltschaft untersucht.
Nach Überzeugung des Gerichts hatte die El-Tawhid-Zelle Anschläge auf das jüdische Gemeindezentrum in Berlin und zwei Lokale in Düsseldorf geplant. Kurzzeitig sei auch erwogen worden, einen vermeintlich jüdischen Bäcker im westfälischen Beckum zu ermorden. Weil die Anschlagsvorbereitungen schleppend verliefen, sei Sarkawi ungehalten gewesen und habe zur Umsetzung der Terrorpläne gedrängt.
Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 27.10.2005