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»Vorliebe für das Schlichte«

Die Rudolf-Oetker-Halle wird am 31. Oktober 75 Jahre alt

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Am 31. Oktober 1930, am Montag vor genau 75 Jahren, wurde mit einem »Festkonzert des verstärkten Städtischen Orchesters« die Rudolf-Oetker-Halle eingeweiht. Oberbürgermeister Dr. Rudolf Stapenhorst sprach, unter der Orchesterleitung von Max Cahnbley erklangen Werke von Johannes Brahms, Johann Sebastian Bach und Ludwig van Beethoven. Damit nicht genug: Insgesamt gab es fünf Festkonzerte.

Auch zum 50-jährigen Bestehen der Oetkerhalle gab es eine Reihe von Konzerten und ein Festkonzert des Philharmonischen Orchesters der Stadt Bielefeld am 31. Oktober 1980. Jetzt, zum 75-jährigen Geburtstag, hat man auf ein Festkonzert verzichtet - die Rudolf-Oetker-Halle ist noch bis zum Ende der Spielzeit Ersatzspielstätte für das Musiktheater. Erinnert an die Einweihung vor 75 Jahren wird aber dennoch: mit einer Ausstellung in der Kommunalen Galerie im Alten Rathaus. »Die Neunte«, die sich der Planungs- und Bauphase der Konzerthalle von 1927 bis 1930 widmet, wird am Mittwoch, 2. November, 18 Uhr eröffnet. Die Ausstellung soll nach der Eröffnung durch »Fundstücke« aus der Bielefelder Bevölkerung erweitert werden. Seit 75 Jahren jedenfalls bietet der Konzertbau mit seiner herausragenden Akustik großen Orchestern, meisterhaften Dirigenten und virtuosen Solisten ein Podium für unvergessliche Konzertabende.
Bevor es die Halle gab, spielten Orchester im Gesellschaftshaus Eintracht, in Remkes Theatersaal, in der Berglust oder in Modersohns Saal. Der Städtische Musikdirektor Prof. Wilhelm Lamping (1861-1929) hatte sich immer einen »würdigen Konzertsaal« gewünscht: »Er muss kommen, wenn sich auch erst künftige Generationen des Besitzes freuen werden.«
Die Familie Oetker, besonders Lina Oetker, Mutter von Dr. Rudolf Oetker, der im Ersten Weltkrieg fiel, stellte der Stadt Bielefeld 1925 eine größere Summe für den Bau einer Konzerthalle zur Verfügung. Die Halle sollte dem Gedenken an Dr. Rudolf Oetker und seine im Weltkrieg gefallenen Bielefelder Kameraden gewidmet werden und »den Lebenden zur Freude und Erhebung an den Werken der Tonkunst«. Dr. Rudolf Oetker war musikbegeistert, hatte Klavier- und Orgelunterricht und gehörte dem Gymnasial-Gesangsverein an. Als Jugendlicher hatte er geäußert, er wolle später dafür sorgen, dass seine Vaterstadt endlich zu einer vernünftigen Konzerthalle komme. Zunächst war es nicht einfach, ein geeignetes Grundstück zu finden. Als Oberbürgermeister Stapenhorst ein städtisches Grundstück an der Westseite des Bürgerparkes vorschlug, gab es zunächst große Bedenken, weil die Entfernung für den Bürger unzumutbar sei.
Schließlich wurden die Verträge unterschrieben, die Baukosten auf 1,5 Millionen Mark begrenzt. Entstehen sollte ein großer Konzertsaal für 1400 Zuhörer, das Podium sollte 300 Sängern und 100 Musikern Platz bieten. Dazu sollte ein Kammermusikraum für 400 Personen geschaffen werden. Es wurde ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Besonderen Wert legte man auf die »vorzügliche Akustik«.
Die Jury entschied sich schließlich für einen Entwurf, der das Kennwort »Die Neunte« trug. Verfasser war das Düsseldorfer Architektenteam Hans Tietmann und Kurt Haake. Gelobt wurden die »ehrliche Sachlichkeit«, die »Vorliebe für das Schlichte«.
Letztendlich gelang es, die Konzerthalle zumindest formell für jene 1,5 Millionen Euro zu errichten. Allerdings hatte Lina Oetker noch einmal geholfen, die Kosten für Bestuhlung, Konzertflügel, Orgel, Pauken und Garderoben übernommen.
Am 30. September 1944 wurde bei einem Bombenangriff der nordwestliche Vorbau an der Lampingstraße beschädigt, nicht aber der Hauptbau.
Zahllose berühmte Orchester, Dirigenten, Musiker, und Sänger sind in der Rudolf-Oetker-Halle aufgetreten. Seit 1932 gibt der Bielefelder Kinderchor dort Konzerte. Von 1968 an öffnete sich die Halle auch der Unterhaltungsmusik, seit Eröffnung der Stadthalle aber ist der Schwerpunkt wieder die Klassik.

Artikel vom 27.10.2005