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Große Koalition für die Familie

Bertelsmann-Stiftung initiiert Erfahrungsaustausch in Ostwestfalen-Lippe

Gütersloh (WB). »In Ostwestfalen bewegt sich was«, stellte Liz Mohn zu Beginn des gestrigen »OWL-Unternehmertages« der Gütersloher Bertelsmann-Stiftung fest. Vertreter von 100 Unternehmen aus der Region tauschten ihre Erfahrungen mit Maßnahmen für mehr Familienfreundlichkeit in den Betrieben aus.
Familienfreundliche Unternehmen, darunter Kranz (F.) oder auch die Bertelsmann Stiftung, halten Spielmöglichkeiten Êfür den Fall bereit, dass Kindergarten oder Schule ausfallen. Fotos: Stiftung/Christoph Papsch
Mario Mekus (Mame Türdesign Rietberg) wirbt für mehr Familienfreundlichkeit in Unternehmen. Im Hintergrund (v.l.) Ulla Keienburg (Bertelsmann Stiftung), Brigitte Schwabedissen (Handwerkerin Bielefeld), Susanne Steinnagel (MSG Salzuflen) und Thomas Kranz (Oelde). Foto: Hertlein
Liz Mohn: Familienfreundlichkeit rechnet sich.

1,4 Kinder pro Paar: Mit dieser Geburtenrate ist Deutschland nach Aussage der nordrhein-westfälischen Landtagspräsidentin Regina van Dinther (CDU) Schlusslicht in Europa. Eine Ursache liege in der Arbeitswelt: »Viele Frauen, die vor der Entscheidung für ein Kind stehen, entscheiden sich dagegen, weil sie befürchten, sich dann für lange Zeit oder gar endgültig vom Beruf verabschieden zu müssen.« Vier von zehn Akademikerinnen blieben trotz Kinderwunsch kinderlos.
In den nachfolgenden Vorträgen legten die Sprecherinnen und Sprecher vor allem Wert auf die positiven Ergebnisse familienfreundlicher Maßnahmen. Nach Aussage von Thomas Kranz, Chef eines Ingenieur-Büros in Oelde, zahlt sich Familienfreundlichkeit auch für den Unternehmer aus. So spare er beispielsweise Ausgaben für die Ausbildung neuer Mitarbeiter. Fachkompetenz bleibe im Unternehmen. Sicher bedeute es hin und wieder einen höheren Organisationsaufwand, wenn ein Unternehmen etwa auf die Arbeitszeitwünsche von Vätern und Müttern Rücksicht nehme. Dafür seien diese aber motivierter als in anderen Betrieben.
Die Bielefelderin Brigitte Schwabedissen, Sprecherin des Arbeitskreises Unternehmerfrauen im Handwerk, lobte die kleinen und mittelständischen Betriebe, die flexibler als Großkonzerne auf die Bedürfnisse von Familien eingehen könnten.
Wie viele Schritte mitunter trotzdem notwendig sind, um etwa die Arbeitszeit so zu regeln, das auch eine Mutter von fünf Söhnen zurecht kommt, beschrieb Susanne Steinnagel am Beispiel von MSG (Bad Salzuflen). Markus Mekus, geschäftsführender Gesellschafter der Rietberger Firma Mame Türdesign, plädierte leidenschaftlich für mehr Familienfreundlichkeit. Viele Manager dirigierten ihre Belegschaft mit Druck, erzeugten damit Angst und Ratlosigkeit. Folge seien Demotivation, hoher Krankheitsstand -Êund weniger Profit. Mame biete seinen Mitarbeitern und deren Familienangehörigen stattdessen unter anderem ein großes Freigelände mit Grillplatz, Beachvolleyballfeld und Streichelzoo. Zu vielen Ereignissen sei auch die Familie eingeladen. Dies schaffe Verbundenheit.
Ziel der Bertelsmann-Stiftung ist nach Aussage des Projektbeauftragten Rocco Thiede ein lokales Bündnis für die Familie. Die Stadt Gütersloh trat bereits bei, der Kreis entscheidet Mitte November. Darüber hinaus ist jedoch nach Ansicht der stellvertretenden Landrätin und Mitbegründerin der Gerry Weber AG, Elke Hardieck, jetzt auch die Bundespolitik gefordert: »Ich hoffe auf eine große Koalition für die Familie.«

Artikel vom 26.10.2005