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Babys mögen es kühl im Bett

Ärzte und Hebammen diskutieren über Stillen und plötzlichen Kindstod

Von Dietmar Kemper
Minden (WB). Wenn Eltern ihre Babys und Kleinkinder mit ins Bett nehmen, sollte im Schlafzimmer ein eher kühles Klima von 15 Grad Celsius herrschen. »Kinder werden oft zu warm gehalten«, sagte die Direktorin des Ausbildungszentrums für Laktation und Stillen, Erika Nehlsen aus Porta Westfalica, dieser Zeitung. Überhitzung kann plötzlichen Kindstod verursachen.
Fürs Kind ist Muttermilch das Allerbeste. Davon sind Hebammen überzeugt und empfehlen den Frauen das Stillen.

Außerdem dürfe das Unterbett nicht zu weich sein, warnte Nehlsen: Sonst sinke das Baby mit dem Kopf ein und drohe zu ersticken. Wenn solche Vorsichtsmaßnahmen eingehalten würden und das Kind zum Schlafen auf den Rücken gelegt werde, spreche nichts dagegen, den Nachwuchs mit ins Bett der Eltern zu nehmen.
Eine Podiumsdiskussion über das Schlafen von Babys und Kleinkindern bildet einen Programmpunkt des 5. Deutschen Still- und Laktationskongresses von heute bis Sonntag in der Mindener Stadthalle. Dazu haben sich 620 Ärzte, Kinderkrankenschwestern, Hebammen, Psychologen und Laktationsberater aus Deutschland, Belgien, der Schweiz und Österreich angemeldet. Mit Laktation wird der Prozess der Milchbildung bezeichnet.
Erika Nehlsen rät Müttern zum Stillen. »Gestillte Kinder sind gesünder und intelligenter als die nicht gestillten«, erklärte sie. Die Zusammensetzung der Milch mit Vitaminen, Mineralien und Abwehrstoffen fördere die Entwicklung des jungen Erdenbürgers. Vom siebten Monat an könne die Mutter langsam mit dem Zufüttern anfangen. »Das Stillen fördert nicht nur die Bindung zwischen Mutter und Kind, sondern auch die Ausbildung von Kiefer und Mund«, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes Hebammen NRW, Doris Kreft aus Minden, dieser Zeitung. Dadurch werde das Sprechenlernen und das Sprechen selbst erleichtert.
Wie viele Mütter in Deutschland stillen, darüber gibt es keine Erhebung. Im Kreis Minden-Lübbecke sind es nach Angaben von Doris Kreft 75 Prozent. Kaiserschnittgeburten können zu Problemen beim Stillen führen. »Die hormonelle Situation ist anders als bei einer vaginalen Geburt und der Milchspendereflex ist nicht so stark«, berichtete Nehlsen. Hebamme Doris Kreft ergänzte: »Beim Kaiserschnitt handelt es sich um eine rabiate Trennung. Die Symbiose zwischen Mutter und Kind wird durch die unnatürliche Geburt gestört.« Dementsprechend sei es schwieriger, den Stillprozess in Gang zu bringen.
Bei der Belastung der Muttermilch mit Schadstoffen bereiteten Aromate (Geschmacksstoffe) und Phtalate (Weichmacher) die größte Sorge, berichtete Erika Nehlsen. Weil aber im Gegenzug die Belastung der Muttermilch mit Dioxinen und Furanen um mehr als die Hälfte verringert worden sei, gebe es keinen Grund, vom Stillen abzuraten, sagte sie. Bei der Säuglingsnahrung empfiehlt die Expertin, in der ersten Zeit keine bunte Mischung zu füttern. Mehrere Gemüsesorten erschwerten die Suche nach dem Nahrungsmittel, auf das das Kleinkind allergisch reagiere. Deshalb sei es sinnvoll, mit nur einem Lebensmittel zu beginnen. Die Allergierate bei Kleinkindern habe in den letzten 30 Jahren um das Dreifache zugenommen.

Artikel vom 28.10.2005