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Die Nacht der Hamburger Flut

Katastrophe von 1962 - Christiane Paul in »bisher schwierigster Rolle«

Von Patrick Poch
Arte, 20.40 Uhr: Hamburg in der Nacht zum 17. Februar 1962. Mit 130 Kilometer pro Stunde rasen Orkanböhen auf die Nordseeküste zu, peitschen das Wasser zu gigantischen Wellen auf. Mitten in der Nacht brechen die Deiche. Meterhohe Wassermassen strömen durch Elbe und Weser. Am schlimmsten trifft es die Hansestadt Hamburg.
Verzweifelt versucht sich Familie Brandt vor der Sturmflut in Sicherheit zu bringen. Es spielen Arndt Schwering-Sohnrey den Vater Heinrich, Christiane Paul Mutter Gerda und Willi Gerk den Sohn Fred. Foto: Arte

Es ist die schlimmste Sturmflut seit mehr als 100 Jahren: Ein Sechstel der Stadt steht unter Wasser. 100 000 Menschen sind eingeschlossen, 315 ertrinken.
Regisseur Raymond Ley hat aus den furchtbaren Fakten ein erschütternd realistisches Dokudrama gemacht, das arte heute Abend in Erstausstrahlung zeigt: »Die Nacht der großen Flut«. Die ARD wiederholt den Film eine Woche später (4. November, 21.45 Uhr).
Originalaufnahmen, Interviews mit Zeitzeugen und Menschen, die selbst betroffen waren, Angehörige verloren haben, mischt Ley mit hochkarätig besetzen Spielfilmsequenzen. Hauptrollen in dem Dokudrama spielen Christiane Paul, Florian Lukas und Ulrich Tukur.
Es ist das erste Mal, dass Christinae Paul (»Das Leben ist eine Baustelle«, »Im Juli«) in einem Dokudrama spielt. Oft sind bei solchen Formaten aus Geldmangel die inszenierten Passagen von geringerer Qualität.Ê Nicht so bei diesem Projekt, das,Ê angelehnt an die Arbeit Heinrich Breloers (»Die Manns«), Spielfilm-Niveau bietet.
»Meine bisher schwierigste Rolle«, gesteht Christiane Paul. Die 31-jährige Berlinerin spielt die junge Gerda Brandt, die in der Flutnacht ihr Zuhause verlor und mitansehen musste, wie ihre geliebte Tante ertrank. Zur Vorbereitung hat die Schauspielerin viel gelesen und Originalmaterial von damals gesichtet. Und sich natürlich die Interviews mit den Zeitzeugen angesehen. Das war ungewohnt, ganz anders als bei ihren bisherigen Projekten.
Was bleibt, ist der Respekt, die Achtung vor den Leuten, die seinerzeit die Katastrophe gemeistert haben. Das wurde Christiane Paul besonders dann bewusst, wenn lebensbedrohliche Situationen auf dem Drehplan standen. Etwa die Szene, in der sie auf dem Dach des Hauses steht, ihren achtjährigen Sohn rettet, ihre acht Monate alte Tochter aber davon treiben sieht: »Das ist schwierig, ich war nie in einer vergleichbaren Situation.«
Wie es der Beruf einer Schauspielerin mit sich bringt, sind die anstrengenden Dreharbeiten längst Vergangenheit, ein neues Projekt erfordert die ganze Konzentration. Aber erneut spielt das ganze an der Waterkant: Regisseur Matti Geschonneck (»Die Nachrichten«) hat ihr von Krimi-Autor Sönke Lars Neuwöhner eine Rolle maßschneidern lassen. Als BKA-Zielfahnderin ist Christiane Paul in Hamburg und Husum einem Serien-Killer auf der Spur, der auch ihren Freund und Kollegen auf dem Gewissen hat. Vor der Kamera von Martin Langer (»Sophie Scholl«) stehen neben Christiane Paul auch Martin Wuttke, Michael Mittermaier, Stephan Kampwirth, Elisabeth Trissenaar und Katharina Abt. Die Dreharbeiten für den ZDF-Thriller werden bis Mitte November dauern.

Artikel vom 28.10.2005