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Walter Kempowski übergibt Archiv

Freude bei der Berliner Akademie der Künste - Das Werk wächst weiter

Berlin (dpa). Der Schriftsteller Walter Kempowski (»Echolot«) hat sein literarisches und biographisches Archiv der Berliner Akademie der Künste übergeben.

Archivdirektor Wolfgang Trautwein nannte es gestern ein »Jahrhundertarchiv«, das mit insgesamt 500 Metern Regallänge »das größte umfassende Einzelarchiv« und eines der bedeutendsten Schriftstellerarchive überhaupt sei. Dazu gehören allein 8000 deutsche Lebensläufe quer durch alle Gesellschaftsschichten.
Kempowski wurde vor allem mit seinen Werken zu einer »Deutschen Chronik« wie »Tadellöser & Wolff« und »Ein Kapitel für sich« sowie der Jahrhundertcollage »Echolot. Ein kollektives Tagebuch« mit Kriegstagebüchern des Zweiten Weltkrieges bekannt.
Der aus Rostock stammende 76-jährige Kempowski sprach von »Wehmut und Erleichterung« und nannte Berlin den richtigen Ort für sein Archiv. »Jetzt, da Berlin wieder Hauptstadt ist, gehört das Archiv in das Zentrum.« An dem Erwerb, eine Summe ist nicht bekannt, ist neben der Kulturstiftung der Länder und Sponsoren auch Kulturstaatsministerin Christina Weiss beteiligt, die die Akademie 2004 übernahm.
Das umfangreiche Archiv enthält neben 300000 Fotos aus deutschen Familienalben vor allem Notizzettel, Entwürfe, verschiedene Textfassungen, Druckfahnen mit Korrekturen und Reinschriften. Dazu kommen seine Tagebücher, Briefe und andere Lebensdokumente. Kempowski sammelte das Material seit Anfang der 70er Jahre gezielt über Zeitungsannoncen oder auf Auktionen und Flohmärkten. Die Akademie spricht von einem »wachsenden Archiv«, da der in Nartum (Niedersachsen) lebende Autor weiter arbeite und Material sammle, jetzt vor allem über das Schicksal von Russlanddeutschen.
»Da ist natürlich auch Wehmut dabei, das alles wegzugeben«, sagte Kempowski. »Viele Menschen haben mir ihr Kostbarstes anvertraut, darunter Tagebücher aus den Schützengräben, mit zittriger Hand geschrieben. Aber ich bin auch erleichtert, ich bin jetzt 76, und das ÝEcholotÜ hat mir beinahe das Kreuz gebrochen. 1991 habe ich einen Schlaganfall erlitten. Ich kann es jetzt nicht mehr so wie früher, körperlich und auch seelisch nicht. Ich habe all diese Schicksale durch meine Seele geschleust.« Im Frühjahr will Kempowski ein Tagebuch veröffentlichen und danach im Herbst 2006 seinen letzten Roman.

Artikel vom 26.10.2005