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Mit Volldampf
hin zu neuen
Energiequellen

Nadrowskis Erfolg: Dampfturbinen

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). Der alteingesessene Handwerksbetrieb, der Metallbauer, der weltweit exportiert, das exklusive Fachgeschäft in der City: Der Mittelstand ist Rückgrat der Wirtschaft und Garant für die Zukunft. Das WESTFALEN-BLATT stelltin einer Serie erfolgreiche Mittelständler vor. Heute: Dresser Rand Nadrowski GmbH.

Die kompakte blaue Maschine in der Fabrikation sagt mehr als 1000 Worte. Diese Dampfturbine sorgt nicht nur für Elektrizität irgendwo in Malaysia fernab jeder Zivilisation, sondern ist die Schlüsselkomponente effektiver Verwertung von Biomasse. Die Reste aus der Palmöl-Produktion sorgen für Energie, gleichzeitig sorgt der Abdampf nach dem Antrieb der Turbine noch dafür, das eben produzierte Palmöl zu sterilisieren. Was da in Malaysia passiert, ist für Detlef U. Bieber eine optimale Form der effektiven Ressourcenverwendung.
Bieber ist Geschäftsführer der Dresser-Rand Nadrowski Turbinen GmbH. Der Mittelständler im Gewerbegebiet in Babenhausen gehört zur amerikanischen Unternehmensgruppe Dresser-Rand, gilt als Spezialist für Dampfturbinen und kann rund um den Erdball mit einer Vielzahl erfolgreicher Anwendungsbeispiele für Stromerzeugung aus Biomasse das vorweisen, was auch dem deutschen Markt der Energiegewinnung deutliche Impulse hin zu erneuerbaren Rohstoffen gibt.
Bieber (61) ist seit 1998 im Unternehmen. Der studierte Diplom-Ingenieur und Wirtschaftsmann kam nach Bielefeld, als Firmengründer Johannes Nadrowski aus Altersgründen an den amerikanischen Konzern Tuthill verkauft hatte. Inzwischen ist Bieber, gebürtiger Hamburger, nicht nur ein waschechter Ostwestfale, sondern überzeugter Kämpfer für seine Region, sein Unternehmen und die ungeheuren Potenziale zwischen Wiehen- und Eggegebirge. Technologisch, versichert Bieber, ist OWL ein wirkliches Juwel. Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus ist es möglich, aus der Region und ihrer inneren Kraft und Kreativität heraus nahezu jedes Problem irgendwo auf der Welt technologisch zu lösen.
Nach der urprünglichen Unternehmensgründung 1906 in Dresden hatte Johannes Nadrowski 1946 so ein Maschinenbau-Juwel in Babenhausen gegründet. Der geniale Konstrukteur wird in Zusammenhang mit Dampfturbinen in allen Lehrbüchern geführt. Als Pionier im Schiffbau schaffte er den Sprung nach Fernost, als die großen Schiffe dort vom Stapel liefen. Heute sind in Fernost mehr als 700 Turbinen aus Babenhausen im Einsatz, vornehmlich auch im Palmölgeschäft.
78 Mitarbeiter sind heute in Bielefeld bei Nadrowski tätig, der Schwerpunkt liegt auf Ingenieuren und im Dienstleistungsbereich, dem Bieber eine große Bedeutung beimisst. Zudem hat der Gang unter das Dach von Dresser-Rand, die im September 2005 Nadrowski und die gesamte Turbinen-Sparte von Tuthill erwarben und in den Staat New York holten, dem Mittelständler in Bielefeld dabei geholfen, all jene Defizite abzulegen, die den Unternehmen dieser Größenordnung üblicherweise anhaften: Die Eigenkapitalquote wurde deutlich optimiert, das Angebotsspektrum an Turbinentechnologie deutlich erweitert im so genannten »50 Hertz«-Markt. Diesen Bereich innerhalb der deutlich unterschiedlichen Spannungsbereiche der globalen Stromversorgung decken die Bielefelder bei Nadrowski ab. Die Technologieschmiede in Babenhausen ist auf dem Weg zum internationalen Markt ganz weit vorn, wenn es um Gesamtlösungen für die dezentrale Stromerzeugung geht. Ihr Hauptaugenmerk gehört nicht den großen Ausnahmeturbinen.
Im Zentrum des Interesses stehen überschaubare Anlagen für die logische Kombination aus Verwertung von Holz- und anderen Abfällen und Produktion von Fernwärme in Europa. Mindestens ebenso wichtig: Dampfturbinen für die Industrie. Bieber augenzwinkernd: »Wir liefern Turbinengeneratorsätze für die dezentrale Energieversorgung, zeigen den mittelständischen Unternehmen, wie man eine Turbine als Gelddruckmaschine einsetzt.« Biebers Konzept: Von Babenhausen aus die Turbine liefern, ihren Betrieb per Computer überwachen, die Anlage finanzieren und die wirtschaftlich wichtige Aussage untermauern, wonach der Betrieb der Turbine als Energieproduzent ganz nebenbei noch Geld für deren Finanzierung einspielt. Als engagierter Mitstreiter im OWL Netzwerk Maschinenbau gilt Bieber ganz nebenbei auch als Verfechter eines ganz anderen Netzwerkes, das dem Produktionsstandort Deutschland gerade im globalen Wettbewerb deutlichen Rückenwind verleiten könnte. Die zumindest teilweise Finanzierung ausländischer Projekte durch den Staat würde als Wettbewerbsvorteil dazu beitragen, auch die Wertschöpfung im Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland zu halten. Bieber: »Andere europäische Nationen haben uns das viele Jahre vorgemacht.« Zumindest in Sachen Turbinen ist eine erste Adresse klar. Nadrowski ist globaler, als viele selbst ernannte Global Player es für möglich halten.

Artikel vom 26.10.2005