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Nach Überfall ein psychisches Wrack

Kripo will mit ZDF-Sendung »Aktenzeichen XY ungelöst« versuchten Doppelmord klären

Von Christian Althoff
Herzebrock-Clarholz (WB). Versuchter Mord: Einbrecher haben vor einem Jahr in Herzebrock-Clarholz (Kreis Gütersloh) beinahe einen Rentner und seine Lebensgefährtin erschlagen. Auf der Suche nach den Tätern wird Hauptkommissar Ralf Östermann aus Bielefeld morgen Abend um 20.15 Uhr in der ZDF-Sendung »Aktenzeichen XY ungelöst« Fernsehzuschauer um Hilfe bitten.
So könnte einer der Einbrecher aussehen.
Auf dem Wohnzimmertisch liegen Schmerztabletten, Depressionshemmer, Blutdrucksenker und Schlaftabletten. »Ohne diese Mittel komme ich nicht mehr durch den Tag«, sagt Ewald S. (64), der seit der Tat am 29. September 2004 psychisch angeschlagen ist und ärztlicher Hilfe bedarf. »Ich habe als Kind im Keller gesessen und Bombenangriffe miterlebt, aber der Überfall war schlimmer.«
In jener Nacht hatten der Rentner und seine Lebensgefährtin Brigitte B. (56) im Bett gelegen und ferngesehen, als sie Geräusche auf der Terrasse hörten. »Ich bin ins Wohnzimmer gegangen und habe das Licht eingeschaltet. Da sah ich draußen drei maskierte Männer.« Die osteuropäisch sprechenden Einbrecher ließen sich von dem Anblick des Rentners nicht abschrecken. Einer schlug die Scheibe mit einer Brechstange ein, stürmte auf Ewald S. los und schlug ihn mit dem Werkzeug nieder. Auch seiner Lebensgefährtin, die in diesem Moment ins Wohnzimmer kam, hieb der Mann das Brecheisen auf den Kopf. Dann durchsuchte die Bande das Haus und floh ohne Beute. Zuvor hatte einer der Täter versucht, den Puls der Opfer zu ertasten, aber wegen seiner Handschuhe möglicherweise nichts gefühlt: »Sonst hätte der sein Werk vollendet«, glaubt Ewald S.
»Als wir in der Nacht am Tatort eintrafen, gingen wir davon aus, dass der Rentner nicht überleben würde«, erinnert sich Ralf Östermann. Zwei Wochen hing das Leben des Opfers am seidenen Faden. Der Angreifer hatte dem Rentner den Schädel zertrümmert und ihm ein Jochbein, einen Unterarm und eine Hand gebrochen, die Zähne eingeschlagen und ein Stück vom rechten Mittelfinger abgerissen. Auch die Lebensgefährtin erlitt einen Schädelbruch.
»Wir haben uns in unserem Haus immer sicher gefühlt, aber diese Zeiten sind vorbei«, sagt Ewald S. Nachdem er aus der Klinik entlassen worden war, hatte der Karosseriebauer als erstes die Fenster vergittert und vor der Terrassentür eine Metall-Jalousie angebracht. »Das ändert aber nichts daran, dass ich immer wieder das Bild des Mannes vor Augen habe, der mit der Brechstange auf mich einschlägt und mich umbringen will«, erzählt der 64-Jährige und ergänzt, der Überfall habe ihn und seine Lebensgefährtin verändert. »Deshalb hat unsere Beziehung auch einen Knax bekommen. Dabei habe ich Brigitte mein Leben zu verdanken. Hätte sie sich damals nicht totgestellt und sofort Hilfe geholt, als die Täter weg waren, würde ich heute nicht mehr leben.« Mit Hilfe der Opferschutzorganisation »Weißer Ring«, die dem Rentner die Rechtsanwältin Gabriele Martens zur Seite gestellt hat, versucht Ewald S. derzeit, sein Leben neu zu ordnen und Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz durchzusetzen.
»Wir halten es für möglich, dass das Paar Opfer einer Verwechslung geworden ist«, sagt Hauptkommissar Ralf Östermann. Denn neun Wochen nach dem Verbrechen war auf ähnliche Weise nur zwei Kilometer entfernt eine Landwirtsfamilie überfallen worden, bei der eher ein höherer Geldbetrag hätte vermutet werden können. »Diese Familie setzt auch Helfer aus Osteuropa ein. Nicht auszuschließen, dass aus diesem Kreis der Tipp zu dem Überfall gekommen ist und sich die Täter beim ersten Mal in der Adresse geirrt hatten«, sagte der Leiter der Mordkommission. Bei dem zweiten Überfall hatte zunächst ein unmaskierter Mann geklingelt und den arglosen Landwirt (71) nach Kartoffeln gefragt. Von diesem Täter hat die Kripo ein Phantombild anfertigen lassen, das morgen in der XY-Sendung gezeigt wird. Ewald S. wird in dem entsprechenden Filmbeitrag nicht mitwirken: »Die Produktionsfirma hat uns fotografiert und Schauspieler engagiert, die uns ähnlich sehen. Ich würde so etwas auch nicht durchstehen«, sagt das 64-jährige Opfer.

Artikel vom 26.10.2005