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1849 machte Friedrich von Bodelschwingh sein Abitur.

Freundlicher Habitus,
eisenharter Manager

Neue Monographie um 175. Geburtstag Bodelschwinghs

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Pastor Ulrich Pohl, Leiter der Zentralen Öffentlichkeitsarbeit der von Bodelschwinghschen Anstalten, ist von dem Satz »Menschen sind keine Ware«, die Friedrich von Bodelschwingh im preußischen Landtag geäußert hat, immer noch beeindruckt: »Das gilt schließlich nach wie vor!« Friedrich von Bodelschwingh kam am 6. März 1831 zur Welt - der Geburtstag wird 2006 gefeiert. Auftakt dazu ist eine Monographie über von Bodelschwingh.

Der Bielefelder Historiker Dr. Hans-Walter Schmuhl hat von Bodelschwinghs Leben (1831-1910) vor dem Hintergrund des »bewegten 19. Jahrhunderts« neu beschrieben. Erschienen ist der Band bei rororo/ Rowohlt Taschenbuch Verlag. Ulrich Pohl: »Das Buch ist leicht zu lesen, von Bodelschwingh und sein Umfeld erwachen darin zum Leben.« Autor Schmuhl hat dem Text Familienfotos und Ansichten zugesellt.
Friedrich von Bodelschwingh war nicht der Gründer der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, doch war seine Berufung zum Leiter der Einrichtung (1872) der entscheidende Wendepunkt in ihrer Entwicklung. Aus der Pflegeeinrichtung, die für 150 Menschen da sein sollte, entstand bis von Bodelschwinghs Tod ein Verbund von Einrichtungen und Zweiganstalten, der 2000 »Pfleglinge« betreute. Hinter von Bodelschwinghs »freundlichem Habitus«, so Hans-Walter Schmuhl, habe sich ein eisenharter Wille verborgen: »Er, der gelernte Landwirt, führte die Anstalten nach Gutsherrenart.« Er sei gleichzeitig ein »frühes Marketing-Talent« gewesen, sagt Schmuhl. So habe er nicht nur die Brockensammlung ins Leben gerufen, sondern etwa auch die so genannten »Pfennigvereine«, weil er auf kleine und kleinste Spenden gesetzt habe und nicht nur auf seine engen Beziehungen zu einflussreichen Kreisen bis hin zum Kaiserhaus. »Genial« sei seine Idee gewesen, nach einer Hungersnot in Tansania die Aktion »Brot für Steine« ins Leben zu rufen. Pastor Pohl: »In Deutschland wurde für die Hungernden gesammelt, die aber bekamen nur zu essen, wenn sie einen Stein für den Bau einer Kirche brachten.«
Beleuchtet wird aber auch von Bodelschwinghs Familienleben mit seiner Frau Ida. Die vier erstgeborenen Kinder des Ehepaares starben kurz hintereinander an »Stickhusten«. Von Bodelschwingh, der später noch Vater von vier weiteren Kindern wurde - der jüngste Sohn Fritz übernahm 1906 die Anstaltsleitung - verklärte das Sterben - auch das von Epilepsiekranken. Schmuhl: »Er war fasziniert von einer Kolonie für Epilepsiekranke, weil es für diese Menschen damals keine Heilmethode gab. Ihr Heil fanden sie seiner Meinung nach im Sterben.«
Die gut lesbare Lebensbeschreibung »Friedrich von Bodelschwingh« gibt es von sofort an im Buchhandel (8,50 Euro).

Artikel vom 26.10.2005