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Eltern suchen
die Wahrheit

Auftakt im Mordprozess ohne Leiche

Von Christian Althoff
Detmold (WB). Mordprozess ohne Leiche: In Detmold steht seit gestern Alexander F. (28) aus Augustdorf vor dem Schwurgericht. Er soll im Juni 2000 seine schwangere Frau Bianca (22) nur wenige Tage nach der Hochzeit getötet und die Leiche versteckt haben.

Verweinte Augen, eingefallene Wangen: Angela R. (47), die Mutter des mutmaßlichen Mordopfers, nahm im Gerichtssaal gegenüber dem Angeklagten Platz und ließ ihn nicht aus den Augen. Sie ist Nebenklägerin und hofft, nach fünf Jahren endlich die Wahrheit über das Schicksal ihrer Tochter zu erfahren.
Alexander F. schweigt jedoch auf Anraten seines Anwalts und wollte sich gestern nicht einmal zu seinen Personalien äußern. Deshalb ist das Gericht auf Zeugen angewiesen, die nach dem Verschwinden der Frau Kontakt zu Alexander F. hatten. Ihnen hatte der Angeklagte damals offenbar unterschiedliche Versionen erzählt, wie die Zeugenbefragung ergab. Ein Sozialpädagoge: »Alex erzählte mir, er sei mit seiner Frau zum Einkaufen gefahren. Nach einem Streit sei sie aus dem Auto gestiegen und verschwunden.« Ein Polizist: »Bei uns gab er zu Protokoll, seine Frau sei fort gewesen, als er nachmittags von der Arbeit gekommen sei.« Und Biancas Großmutter (71) erinnerte sich: »Er sagte mir am Telefon, er habe ihr im Streit eine geknallt, und daraufhin sei Bianca weggelaufen.«
Oberstaatsanwalt Diethard Höbrink geht davon aus, dass keine dieser Versionen zutrifft. Er ist überzeugt, dass es zwischen den erst vier Tage verheirateten Eheleuten zu einem tödlichen Streit gekommen ist, weil Bianca F. nachweislich ohne Wissen ihres Verlobten die Pille abgesetzt hatte und schwanger geworden war.
Mehrere Zeugen bezeichneten es gestern als undenkbar, dass die Frau ihren Ehemann verlassen hätte, ohne Mischlingshündin »Tina« mitzunehmen: »Sie hat das Tier abgöttisch geliebt«, sagte ein Jugendfreund und ergänzte: »Bianca hatte keinen Führerschein und kannte außerhalb des Kreises Lippe auch niemanden. Wohin hätte sie denn gehen sollen?«
Auffällig auch: Malerin Bianca F. hatte einen Dauerauftrag eingerichtet und überwies ihrem Ehemann monatlich 500 Mark - damit dieser seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen konnte, zu denen er nach einer Sachbeschädigung verurteilt worden war. Christiane Herzig, die Anwältin von Biancas Eltern: »Wenn die junge Frau tatsächlich im Streit ausgezogen wäre, hätte sie kaum weiterhin jeden Monat dieses Geld gezahlt.«
Zum Schluss des ersten Verhandlungstages sah sich das Gericht das Video einer »Sat 1«-Sendung an, in der Alexander F. im Jahr 2000 nach dem Verschwinden seiner Frau aufgetreten war. Biancas Mutter sackte zusammen und schluchzte, als das Video lief, der Angeklagte folgte dem Geschehen scheinbar teilnahmslos.
Am Freitag will das Gericht Vertreter der Bundeswehr hören, aus der Alexander F. unehrenhaft entlassen worden war.

Artikel vom 25.10.2005