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Betreutes Wohnen im Gut

Graf von Schlieffen baut Kuhstall für Evangelische Kirche um

Von Monika Schönfeld
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Im Alter in der Gemeinschaft mit anderen auf einem Gut leben, in freier Natur, Landwirtschaft in unmittelbarer Nachbarschaft, eigene Terrasse, eigener kleiner Garten, ein Teich zum Verweilen und Wege zum Spazierengehen vor der Haustür: Das wird ab Frühjahr 2007 auf dem Gut Schlieffen an der Bielefelder Straße möglich.

Magnus Graf von Schlieffen lässt ab heute den 900 Quadratmeter großen Kuhstall umbauen. Hier entstehen 20 Zimmer für überwiegend an Demenz erkrankte Senioren, davon vier Zimmer als Doppelzimmer. Träger wird die Evangelische Kirchengemeinde Schloß Holte-Stukenbrock, genauer gesagt die Diakonie. Im gegenüberliegenden ehemaligen Schweinestall entstehen außerdem drei Wohnungen mit je 150 Quadratmetern Wohnfläche für Familien oder für Senioren, die sich Betreuungsleistung dazu kaufen wollen. Magnus Graf von Schlieffen investiert zwei Millionen Euro.
Das Gut, der ehemalige Ludwigshof, gehört seit zwei Jahren Magnus Graf von Schlieffen, der es von seiner Mutter übernommen hat. Sein Vater ist vor sechs Jahren gestorben. Der hatte das Anwesen 1957 gekauft und mit einem 50-Jahres-Vertrag an das Evangelische Johanneswerk Bielefeld verpachtet. Bis 1976 hat die Innere Mission des Johanneswerks, auch Träger des Jugendhauses Heidequell in Augustdorf, dort auffällig gewordene Jugendliche betreut. Bis dahin kümmerten sich die Jugendlichen um 100 Kühe und sollten bei der Arbeit in der Landwirtschaft auf den rechten Weg gebracht werden.
Seit 30 Jahren stehen Kuhstall und Schweinestall leer. Der vordere Bereich mit Getreidelager und -trockner ist und bleibt an Landwirt Berthold Große Rüschkamp aus Verl unterverpachtet. »Grund und Boden in diesem Zustand sind ein Negativwert«, stellte Magnus Graf von Schlieffen fest. Abreißen oder zur Gewerbeimmobilie umbauen - das waren die Alternativen, um einen positiven Wert zu schaffen. Seit 15 Jahren sei das Anwesen keine Augenweide mehr, sagt er.
»Vor etwa eineinhalb Jahren kam der evangelische Pfarrer Reinhard E. Bogdan auf mich zu mit der Idee eines Altenheims in Außerortslage«, erzählt von Schlieffen. »Ich konnte mir das vorstellen.« Bogdan sehe Bedarf für 100 Personen pro Jahr. Von Schlieffens Hamburger Architekt Frank M. Kutschera habe die Statik geprüft und seine Fantasie spielen lassen. Die Pläne werden ab heute verwirklicht.
Heute wird damit begonnen, die Dächer abzudecken und neu aufzubauen. Das soll vor dem Winter vollendet sein. Die Wohnung am alten Kuhstall bleibt, der Mieter könnte eventuell Hausmeister des Betreuten Wohnens werden. Die Wohnung wird renoviert.
Der zukünftige Eingang zum Betreuten Wohnen mit Windfang werde in der Mitte sein, von dort aus erreicht man die Gemeinschaftsfläche, die als Oval beide Wohngruppen verbindet. Vor dem Haus wird begrünt, die Eichenbalken als tragende Elemente können erhalten werden und dienen als architektonische Elemente, die die Zimmer trennen. »Das soll schon schick werden«, sagt von Schlieffen (44), der als Investmentbanker und Wertpapierberater bei Merrill Lynch in Frankfurt arbeitet.
Gerechnet wird noch, ob sich eine eigene Heizanlage mit Holzhackschnitzel lohnt. Das Trinkwasser wird von der Stadt kommen, aus eigenem Brunnen werden Toilettenspülung und Gartenbewässerung gespeist. Eine noch zu bauende Kleinkläranlage wird das Abwasser reinigen.
Zur viel befahrenen Bielefelder Straße wird ein Tor gebaut, das auch mit Trecker und Anhänger passierbar ist. Halbmondförmig wird zwischen den Einfahrten des Getreidespeichers Schallschutz installiert wie auch im weiteren Verlauf der Bielefelder Straße Richtung Kreuzkrug ein kleiner Lärmschutzwall und eine Baumreihe vor dem Verkehrslärm schützen soll.
Die Investitionskosten in Höhe von zwei Millionen Euro hält von Schlieffen für realistisch. »Ein bestehendes Gebäude wird ausgebaut, und als Landwirt lege ich Grünflächen günstiger an als andere.« Zudem hat er einen Förderantrag über 80 000 Euro aus dem Programm für Dorferneuerung und den vorzeitigen Baubeginn beantragt. Ob daraus etwas wird, kann er noch nicht sagen. Davon sei die Maßnahme aber nicht abhängig. Der gebürtige Stukenbrocker freut sich darauf, Leben ins Gut zu bringen. »Das wird nie wieder eine eigenständige Landwirtschaft«, sagt von Schlieffen.
Bedingung für die Baugenehmigung war es seitens des Straßenbaulastträgers (Landesbetrieb Straßen NRW), zum Gut Schlieffen vom Kreuzkrug aus gesehen eine Linksabbiegespur auf die ehemalige Bundesstraße aufzubringen. Seitdem herrscht in diesem Bereich Tempo 50 (vorher Tempo 100). »Ich hoffe, dass diese Geschwindigkeitsbegrenzung bleibt. Insgesamt würde vom Kreuzkrug bis Stukenbrock Tempo 70 meiner Meinung nach ausreichen.« Das sieht das Landesstraßenbauamt allerdings anders. »Die kleinen Orte sollen ihrer Meinung nach gut und schnell angebunden sein.«

Artikel vom 25.10.2005