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Schlürfen und schmecken: Traumberuf Tee-Verkoster

Deutschlandweit gibt es nur 50 professionelle Tee-Verkoster

Düsseldorf (WB). Sich mit einer heißen Tasse Tee zu wärmen, wenn es draußen kalt ist, gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen der Deutschen im Winter. Eine Berufsgruppe kann das den ganzen Tag über tun: die Tea Taster. Sie sind für die Qualitätskontrolle des Tees in einem Teehandelshaus zuständig.

Jörg Sakulowski ist Chef Tea Taster bei der Teekanne GmbH & Co. KG in Düsseldorf, Tee-Marktführer in Deutschland. Um sicherzustellen, dass der Tee das gesamte Jahr über den gleichen guten Geschmack hat, ist es erforderlich, seine Qualität kontinuierlich zu überprüfen. Für das Teeverkosten ist ein sorgfältiges, festgelegtes Vorgehen nötig, das den Vergleich verschiedener Teeproben ermöglicht.
Etwa 500 Teeproben prüft der Tea Taster täglich hinsichtlich Geschmack, Geruch und Farbe des Aufgusses. Der Ablauf folgt einem festgelegten Schema: Auf einem Tisch reiht der Tee-Spezialist zunächst die zu verkostenden Proben auf. Je Sorte gießt er 2,86 Gramm Teeblätter - dieses Gewicht ist historisch bedingt und entspricht dem Gewicht eines alten englischen Sixpence-Stückes - in einem Porzellanbecher auf und lässt sie genau fünf Minuten lang ziehen.
So wird vermieden, dass variierende Ziehzeiten Schwankungen in Geschmack und Farbe hervorrufen. Um die charakteristischen Eigenschaften der Tees herauszufinden, untersucht der Tea Taster dann die trockenen und nassen Blätter auf Farbe und Beschaffenheit und kontrolliert das Aroma des Teedampfes.
Beim eigentlichen Testen des Tees kommt ein Löffel zum Einsatz, mit dem das Getränk schlürfend eingesogen und im Mund zerstäubt wird. Dadurch kommt die Flüssigkeit in engsten Kontakt mit Zunge, Gaumen und Wangeninnenseite, die physiologisch sehr empfindlich auf Aromen und Gerbstoffe reagieren. Die Flüssigkeit wird danach nicht geschluckt, sondern in einen Napf gespuckt. Aussehen, Geruch und Geschmack werden von der Rohware bis hin zum fertigen Produkt auf diese Weise bis zu fünf Mal geprüft. Und auch während des Produktionsprozesses werden die hergestellten Mischungen immer verkostet.
Das Kapital eines Tea Tasters ist sein hoch entwickeltes Geschmacksempfinden - er kann aus Hunderten von Proben den Tee eines bestimmten Teegartens herausschmecken. Doch das allein macht noch keinen perfekten Tee-Verkoster aus. Für den Einkauf des Tees ist kaufmännisches Geschick gefragt, denn der Preis der Ware muss mit den Tee-Lieferanten ausgehandelt werden. Reisen in die Ursprungsländer und Tee-Nationen gehören zum Berufsbild dazu, um sich ein fundiertes Wissen über Anbau, Verarbeitung und Teetradition anzueignen.
Nicht zuletzt erfordert der Beruf eine eiserne Disziplin: »Scharfe Gewürze, Kaffee und Alkohol sind für mich tabu, um die empfindlichen Geschmacksnerven nicht zu beeinträchtigen«, sagt Tee-Spezialist Jörg Sakulowski. »Aber ganz ehrlich: Auch wenn ich zuhause bin, trinke ich am liebsten eine gute Tasse Tee.«

Artikel vom 29.10.2005