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Maestra mit
Charme im
hohen Norden

Simone Young erobert die Herzen

Von Carola Große-Wilde
Hamburg(dpa). Bei Simone Young gibt es nur Superlative: Hamburgs neue Generalmusikdirektorin war die Erste, die die Wiener Philharmoniker leitete, die Erste, die an der Metropolitan Opera in New York dirigierte. Seit August ist die 44-Jährige nun die erste Chefin eines internationalen Opernhauses.
Die Generalmusikdirektorin und Opernintendantin Simone Young.Foto: dpa

Und seitdem eroberte die Australierin mit ihrem Temperament, Können und ihrem Charme die Herzen der Hamburger im Sturm. An diesem Sonntag dirigiert sie an der Wiener Staatsoper die Premiere von Janáceks »Osud« und Puccinis »Le Villi«. Und Arte widmet der Maestra, Überfliegerin und Alleskönnerin an diesem Samstag um 22.25 Uhr ein Porträt.
»Einen besseren Start hätte ich mir wirklich nicht wünschen können«, sagt Simone Young. Beide Premieren seien beim Publikum und zum großen Teil bei der Presse sehr positiv aufgenommen worden. Dabei hat sie mit Olivier Messiaens komplexer »Turangaljla«-Sinfonie und Paul Hindemiths Künstleroper »Mathis der Maler« keine leichte Kost gewählt. »Aber die Premieren haben uns sehr viel mehr Aufmerksamkeit verschafft, als wenn ich mit einer Verdi-, oder Puccini-Oper begonnen hätte.« Kurz vor der Opern-Premiere war der Druck nochmals gestiegen, als Hamburg unter Ingo Metzmacher und Louwrens Langevoort zum »Opernhaus des Jahres« gewählt wurde.
»Das ist für uns ein großer Ansporn und ein dickes Dankeschön an meine Vorgänger«, sagte die Dirigentin, die die Internationalität des Hauses noch weiter ausbauen will. »Im Moment verhandeln wir über eine CD-Einspielung. Außerdem werde ich neue Gastdirigenten und internationale Solisten nach Hamburg holen.« Geplant sind Produktionen mit anderen Häusern - mit wem verrät sie jedoch noch nicht. »Ich muss ja auch noch später etwas zu verkünden haben«, sagt sie mit einem Lachen.
Ansonsten möchte sie »gewisse Repertoirelücken« füllen und die moderne Klassik ausbauen. »Die Meisterwerke des 20. Jahrhunderts - diese Schiene ist mir sehr wichtig, ebenso der Ausbau des Ensembles, Orchesters und des Chores.«
Nach dem jahrelangen Hin- und Herpendeln zwischen den großen Opernhäusern der Welt freut sie sich darauf, endlich »sesshaft« zu werden. »Es ist auch der Sinn der Sache, dass ich hier bin und dass ich hier diese Multifunktion habe. Ich will mich wirklich mit dem Leben in der Stadt verbinden«, sagte die Dirigentin, die im Sommer mit ihrem Ehemann Greg und den beiden Töchtern Yvann (17) und Lucie (8) an die Elbe kam. Konzertreisen will die Kosmopolitin auf einige wenige Städte, zu denen sie noch starke Verbindungen hat - wie Berlin, Wien, Lyon und Lissabon - beschränken. Fest steht nur ein Termin: »Im Sommer, da fahren wir immer nach Australien. Zu meinen Eltern und Schwiegereltern.«
Von ihrer neuen Heimat hat die in Sydney Geborene noch nicht so viel gesehen - momentan pendelt sie zwischen Hamburg und Wien hin und her, die Premiere dort war bereits vor ihrem Amtsantritt geplant. »Ich kenne den Weg von zu Hause bis zur Oper - und zwei Mal sind wir mit der Familie Tretboot gefahren.« Trotzdem hat es ihr die Hansestadt mit ihrem vielen Wasser angetan. »Ich bin in drei Minuten an der Alster. Das ist einfach traumhaft.« Nach Umzug, der vielen Probenarbeit und all dem Premierenstress ist aber auch eine Powerfrau »ziemlich müde«. »Eine Pause gibt es erst in der letzten Novemberwoche. Da habe ich drei, vier Tage frei. Dann wird meine älteste Tochter 18. Das wollen wir auf jeden Fall ganz groß feiern.«

Artikel vom 22.10.2005