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Gute Kunst lässt
Alltag vergessen

Tannhäuser-Premiere in Minden

Von Hartmut Horstmann
Minden (WB). Die Hoffnung, dass gute Kunst die Welt verändert, mag falsch sein. Aber den Menschen für einige Stunden das Gefühl von alltagsentrückter Erhabenheit vermitteln - dies ist möglich. So geschehen bei der Tannhäuser-Premiere am Wochenende in Minden.

Dem Richard-Wagner-Verband war es gelungen, den namhaften Regisseur Keith Warner zu gewinnen. Der Engländer, der auch schon den Lohengrin in Bayreuth inszeniert hat, stellte sich souverän auf das Spezifikum des Mindener Stadttheaters ein - als da wäre eine Bühne, die Tannhäusers Verzweiflung zwischen Venusberg und Wartburg auf ein Umherirren auf wenigen Quadratmetern reduziert. Denn in Folge des zu kleinen Orchestergrabens müssen auch die Musiker der Nordwestdeutschen Philharmonie auf der Bühne hinter den Sängern Platz nehmen.
Dass es im Verlauf der Aufführung gelungen ist, die Beengtheit des Raumes vergessen zu machen, zeugt von der großen Leistung Keith Warners. Im zweiten Aufzug wird der Vorhang zu einer Leinwand, auf der Bilder aus dem Theater zu sehen sind. Die Zuschauer beobachten so das zuvor gefilmte Publikum des Sängerwettstreits - ein eindrucksvoller, wunderbar spielerischer Einfall, der moderne Technik ohne jegliche Effekthascherei einsetzt.
Großartiges leisten Lichtdesigner Wolfgang Göbbel und Bühnengestalter Jason Southgate. Eine Treppe, ein Gestell, eine kleine Gefällfläche auf der Bühne: Diese Elemente müssen reichen, um die Qualen des Tannhäuser in Szene zu setzen.
Wenn Elisabeth, von Sehnsucht erfüllt, auf der Treppe steht, wird diese in ein zartblaues Licht getaucht, beim Venusberg dominiert das laszive Violett. Die subtile, auf den Punkt genaue Ausleuchtung trägt maßgeblich dazu bei, dass auf kleiner Fläche ein kompletter Wagner-Kosmos ausgebreitet werden kann.
Kompromisse können den hervorragenden künstlerischen Gesamteindruck nicht schmälern. Wenn die außergewöhnliche Sopranistin Anne Schwanewilms als Elisabeth das Lied ihrer uneigennützigen Liebe singt, wird nicht nur das Herz ihres geliebten Heinrich erweicht. Das Publikum fühlt mit - ebenfalls die Seelentiefe, die in der Tenorstimme von John Charles Pierce als Tannhäuser ausgelotet wird. Begeistert und ergriffen zugleich verließen die Zuhörer nach der Aufführung das Theater.
Weitere Aufführungstermine (jeweils 18 Uhr) sind Dienstag, 25. Oktober, Freitag, 28. Oktober, Sonntag, 30. Oktober, Sonntag, 6. November und Mittwoch 9. November.
www.stadttheater-minden.de

Artikel vom 24.10.2005