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Fein ziselierter Fingertanz

Zweites Freitagskonzert der Bielefelder Philharmoniker

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). »The French Connection«, die französische Verbindung zwischen Jean-Philippe Rameau, Wolfgang Amadeus Mozart und Vincent d'Indy haben die Bielefelder Philharmoniker unter Peter Kuhn bei ihren zweiten Freitagskonzert in der Oetkerhalle aufgedeckt.

Nicht ohne den russischen Senkrechtstarter Denys Proshayev als Bindeglied mit einzubeziehen. Seit der Pianist vor drei Jahren den ersten Preis beim ARD-Musikwettberwerb belegte, erobert er sich zunehmend einen Platz in den vorderen Reihen der großen Klaviervirtuosen. Zu Recht, ließ Proshayevs Interpretation von Mozarts Klavierkonzert in Es-Dur - 1777 der namhaften Pianistin Mademoiselle Jeunehomme maßgeschneidert in die Finger legte -Ê wahrlich aufhorchen.
Der 27-Jährige braucht nicht den großen virtuosen Aufriss, um Wirkung zu erzeugen. Vielmehr verblüfft sein fein ziselierter Fingertanz durch eine klare Konturierung und Trennschärfe. Darüber hinaus kennt sein Spiel unendliche Anschlagsnuancen. Da wird jeder Ton einzeln ausmoduliert, und das alles mit scheinbarer Mühelosigkeit.
Die Solokadenz des Allegro nimmt Proshayev mit federnder Leichtigkeit. Im Mittelsatz beschwört er tiefe Gefühle und taucht mit subtilem agogischem Spiel und ausgefeilten Pianissimo-Schattierungen in die melancholische Grundstimmung ein. Seine glasklare Linienführung vermag er noch in den quirlig versponnenen Läufen und Schnörkeln des Finalsatzes aufrechtzuerhalten, die so sorgfältig wie organisch phrasiert ins Gesamtgeschehen einfließen. Im einvernehmlichen Ineinandergreifen mit dem Orchester, das mit Klangsinn und Gespür für Spannungskurven und Pointen aufspielte, entstand ein Gesamtkunstwerk, das Ernst und Heiterkeit, Licht und Schatten aufs Angenehmste miteinander verband.
Nach tänzelndem Barock-Entree mit geschmackvollem Affetto-Anstrich (»Troisième Concert à sic« von Rameau) chronologisch über die Klassik hin zur Spätromantik mit impressionistischem Einschlag, sprich d'Indys Sinfonie »De Bello Gallico«. Mit Klangsinn und motorischem Vorwärtsdrive förderte das Orchester den Effektreichtum der groß besetzten Sinfonie zutage, in der die musikalischen Topoi des Krieges auf erschütternde Weise zum Ausdruck kommen. Schön aufgefächert in dramatischen Klangsteigerungen, in spöttelndem Blech, kollektivem Klagen der Holzbläser, peitschenden Tempi und vibrierender Unruhe in den Streichern. Selbstredend, dass das Orchester noch in den wuchtigen Partien die gebotenene Transparenz wahrte und stürmischen Applaus erntete.

Artikel vom 24.10.2005