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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann


Zu den beliebtesten Mädchennamen zählt derzeit Sara. Viele Eltern haben ihre Töchter so genannt. Ob sie sich dabei lediglich vom Klang leiten ließen oder auch an die Bedeutung dieses Namens dachten, womöglich sogar an dessen biblische Herkunft (nachzulesen 1. Mose/Genesis, 1, 16-18), steht freilich auf einem anderen Blatt.
Sara kommt aus dem Hebräischen und heißt »Fürstin«. Die prominenteste Sara aber war nicht blaublütig und gehörte schon gar dem Hochadel an - sie war die Frau eines Nomaden. Der hieß Abraham und hatte es mit der Zeit zu einigem Wohlstand gebracht. Nur eines fehlte beiden an ihrem Glück: eigene Kinder. Die sollten sich nach menschlichem Ermessen auch nicht mehr einstellen, denn Sara war weit jenseits der Jahre, in denen eine Frau noch Mutterfreuden entgegensehen kann. Dem medizinisch abzuhelfen, war damals reine Utopie.
Nüchtern und erdverbunden, wie sie war, konnte Sara dies akzeptieren und nahm es als ihr Schicksal hin. Doch nicht so ganz. Denn Kinderlosigkeit galt zu ihrer Zeit als eine Schmach. Außerdem - und das wog schwerer - hatte Gott ihrem Mann doch Nachkommen verheißen. Weil das aber auf direktem Wege wohl nicht möglich war, dachte sich Sara, müsse man die Sache selbst in die Hand nehmen und dazu eben einen Umweg wählen. Dieser Umweg hieß Hagar, eine gebärfreudige ägyptische Magd. Von ihr hatte man sich in der Tat nicht zu viel versprochen, denn schon der erste Versuch gelang: Hagar brachte einen gesunden Sohn zur Welt und nannte ihn Ismael. Nach islamischer Überlieferung gilt er als Stammvater der Araber.
Doch so glatt, wie Sara sich das vorgestellt hatte, ging diese Lösung keineswegs auf. Vielmehr kam es zwischen beiden Frauen zu erheblichen Konflikten. An gegenseitigen Demütigungen und Verletzungen wurde nicht gespart. Abraham übrigens spielte in diesem Wirrwarr nicht gerade eine Glanzrolle - am Ende gab es nur Verlierer. Aber Hagar sollte die größte unter ihnen werden und sah schließlich keinen anderen Ausweg, als mit ihrem halbwaisen Kind in die Wüste zu fliehen.
Die Bibel erzählt von diesen menschlichen Irrungen und Wirrungen, ohne zu moralisieren und ohne falsche Prüderie. Sie schildert aber auch, wie Gott die verstoßene Hagar und ihren Sohn in seinen gnädigen Schutz nimmt und wie er Sara doch noch zu ihrem eigenen Kinde verhilft.
Eines Tages stellt sich merkwürdiger Besuch ein, nicht ganz faßbar, wie im Traum. Von drei Personen ist die Rede, dann wieder nur von einer. Abraham ahnt, daß es damit etwas Besonderes auf sich haben muß, und trifft Vorbereitungen wie zu einem Festmahl. Wie es orientalischer Sitte entspricht, läßt Sara sich nicht blicken, sondern schaltet und waltet im Hintergrund. Das aber hält sie nicht davon ab, die Ohren zu spitzen und heimlich zu lauschen, was zwischen den Männern geredet wird: In einem Jahr werde sie einen Sohn geboren haben. Darüber indes kann sie nur lachen; denn sie kennt die biologischen Zusammenhänge und weiß aus Erfahrung, daß sie dazu eigentlich nicht mehr fähig ist.
Den Gästen freilich waren Saras Gedanken und ihr Gelächter nicht verborgen geblieben. Sie verübeln ihr ihren Realitätssinn nicht, und sie setzen auch nicht andere Wahrscheinlichkeiten dagegen, die selbst in dieser Frau zumindest einen Hoffnungsschimmer eröffnen könnten. Vielmehr fällt aus ihrem Munde nur ein einziger Satz, und der steht noch dazu in krassestem Widerspruch zu einer Wirklichkeit, die scheinbar die einzige ist. Diese Realität scheint alle Gründe auf ihrer Seite zu haben und meint, sich gegen Gegenargumente von vornherein sperren zu müssen: »Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?«
Beweise dafür werden nicht angetreten, und eigentlich ist es nicht mehr als eine Frage - eine Frage jedoch, die nicht ausschließt, sondern zu erschließen vermag, daß Gott über noch dort ungeahnte Mittel verfügt, wo, menschlich gesehen, alles festgefahren und festgezurrt erscheint. In welche Situation auch immer einer geraten mag - für Gott ist sie nicht aussichtslos und darum auch für einen Menschen nicht.

Artikel vom 22.10.2005