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Ölpreise trüben Erwartungen an die Konjunktur

Clement korrigiert eigene Prognose

Berlin (dpa). Die hohen Ölpreise werden das Wirtschaftswachstum in Deutschland nach Einschätzung der Bundesregierung in diesem und im nächsten Jahr spürbar dämpfen.

In der von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) am Freitag präsentierten Herbstprojektion rechnet sie jetzt mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,8 Prozent in diesem und 1,2 Prozent im nächsten Jahr. In der Frühjahrsprojektion hatte sie noch 1,0 und 1,6 Prozent erwartet.
Nach Einschätzung der Bundesbank hat die deutsche Wirtschaft aber zumindest seit Sommer die Stagnation überwunden und befindet sich auf Erholungskurs. Starke Impulse habe die Industrie gegeben, während der Konsum weiter schleppend verlaufe.
»Die Abwärtskorrektur ist dem drastischen und dauerhaften Anstieg der Energiepreise, insbesondere für Rohöl, geschuldet«, sagte Clement. Wie er erläuterte, war die Regierung im Frühjahr noch von einem Rohölpreis von 48 US-Dollar je Barrel Brent ausgegangen und rechnet jetzt mit einem Durchschnittspreis von 60 Dollar.
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen sieht Clement Chancen, dass sich die Aufwärtsentwicklung fortsetzt. Produktion und Aufträge nähmen in der Tendenz deutlich zu, die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe habe sich laut ifo-Geschäftsklimaindex spürbar verbessert und die ZEW-Konjunkturerwartungen seien im Oktober ebenfalls gestiegen. Die Eckwerte der Bundesregierung seien daher als eine »nach oben offene Wachstumsskala« zu verstehen.
Im Sommer profitierte die Industrie von der starken Auslandsnachfrage. Der Exportboom habe rechnerisch aber nur begrenzt zum Wachstum beigetragen, weil die Importe infolge der hohen Ölpreise stiegen. Die Weltwirtschaft wird laut Projektion der Bundesregierung in diesem und im nächsten Jahr jeweils um 4,0 bis 4,25 Prozent wachsen, die deutschen Exporte sollen um 6,0 beziehungsweise 6,5 Prozent zulegen. Sorgenkind bleibe der private Konsum, der nach wie vor nicht anziehe, teilte die Bundesbank mit. Die genauen Daten für das Wirtschaftswachstum im dritten Quartal veröffentlicht das Statistische Bundesamt am 15. November.
Laut Projektion wird die Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr leicht auf unter 4,7 Millionen zurückgehen und die Erwerbstätigkeit leicht ansteigen. Clement warnte vor einer Erhöhung der Mehrwertsteuer in der gegenwärtigen konjunkturellen Situation. Die gesamtwirtschaftliche Eckwerte der Bundesregierung bilden die Grundlage für die Steuerschätzung am 2. und 3. November und für die Beratungen im Finanzplanungsrat.

Artikel vom 22.10.2005