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Frauenschicksale und
Großeltern-Biografien

26 Bielefelder Schüler beim Körber-Wettbewerb erfolgreich

Von Elke Wemhöner
(Text und Fotos)
Schildesche (WB). Geschichte ist spannend. Die Beschäftigung mit ihr führt zu Antworten, aber auch zu weiteren Fragen. Das haben nicht nur Rebecca Steffen und Janieta Jesuthasan (beide 18) von der Marienschule, sondern auch der zehnjährige Pascal Féaux de Lacroix aus Schildesche erfahren. Beim Geschichts-Wettbewerb 2004/05 der Körberstiftung waren sie mit ihren Beiträgen erfolgreich.

Der 4. Preis, dotiert mit 250 Euro, wurden den jungen Frauen aus dem 12. Jahrgang der Marienschule zuerkannt. Damit haben sie von allen Bielefelder Teilnehmern am besten abgeschnitten. Anerkennungspreise gab es für Pascal Féaux de Lacroix (Ratsgymnasium), der ein sehr junger Teilnehmer war, sowie für Louise von Daniels-Spangenberg (12. Klasse Ratsgymnasium), Anna Maria Weber, Leonie Buschkamp (beide 9. Klasse Gesamtschule Brackwede), und den Grundkurs Geschichte des 11. Jahrgangs des Max-Planck-Gymnasiums mit Vincent Pielsticker, Frederik Dombert, Tim Schepsmeier, Jana Bartling, Sezen Pehlivan, Patrick Waterbör, Simon Zurheide, André Kirchler, Tim Linnenbrügger, Benjamin Demski, Marius Stute, Niklas Welland, Yasemin Özden, Josephine Kraft, Astrid Neumann, Jennifer Porath, Sarah Stüwe, Melissa Kleis, Melek Tekercibasi und Florian Tönsmann.
Auch für Rebecca Steffen und Janieta Jesuthasan, die durch ihren Lehrer Dr. Heinz-Ulrich Kammeier auf den Wettbewerb aufmerksam wurden, gab es einen Zeitpunkt, an dem der Abgabetermin Ende Februar als zu früh erschien. Aber sie wollten nicht aufgeben. 15 Interviews hatten die beiden geführt, um Zeitzeugen-Aussagen zu bekommen: »Frauenerwerbstätigkeit in Bielefeld und Umgebung nach 1945«. »Die Frauen, die sich auf unseren Aufruf in der Tageszeitung und durch Vermittlung von Bekannten gemeldet hatten, waren so offen«, berichtet Janieta Jesuthasan Und Rebecca Steffen erzählt lächelnd, wieviel Mühe sich die 70- bis 80-jährigen Frauen gegeben hatten, um eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen. »Häufig war der Tisch gedeckt, es gab Kaffee und Kuchen. Unsere Gesprächspartnerinnen fanden manchmal kein Ende, wenn sie ins Erzählen gekommen waren.«
Trümmerfrau-Aufgaben, harte, schlecht bezahlte Arbeit in Fabriken - die beiden Schülerinnen sind heute noch beeindruckt vom Gehörten. Als sie die individuellen Erlebnisse mit der großen Geschichte in Relation setzten, wurde Weiteres deutlich. Beispielsweise die Veränderungen des Frauenbilds im Vergleich der Weimarer Republik mit dem Dritten Reich. Und die Unterschiede zwischen Propaganda (glückliche Mutter als Mutterkreuzträgerin) und Wirklichkeit (Kampf um die Existenz der Familie als Ernährerin).
»Sich regen bringt Segen?« steht als Titel über dem Geschichtswettbewerb Die beiden 18-jährigen ersetzten das Fragezeichen durch ein Ausrufungszeichen. Aber sie kommen in ihrer Schlussbetrachtung auch zu dem Ergebnis: »Frauen wurden Not berufstätig - und nicht aus Neigung.«
Pascal Féaux de Lacroix stieß in einem Geolino-Heft auf den Wettbewerb und entschied: »Da mache ich mit«. Die Eltern und seine Lehrerin (damals noch Sudbrack-Grundschule) gaben Unterstützung bei der Themensuche. Ursprünglich wollte der Zehnjährige - angeregt durch die Begegnung mit einem 90-Jährigen über »Arbeit in der Schule - wie war sie früher?« forschen. Beim Besuch im Stadtarchiv, bei dem ihn Uwe Standera als Tutor begleitete, riet Fachmann Bernd Wagner zu einer leichteren Aufgabenstellung.
Und dann war sie gefunden: Pascal untersuchte, wie seine Großeltern väterlicherseits (aus Hamburg) und mütterlicherseits (aus Minden) nach Bielefeld gekommen waren, wie sie den Wechsel empfanden und welche Arbeit die Großväter ausübten. Der eine als Buchhalter in einer großen Firmenabteilung, der andere als Gemeindepfarrer. Mit Fotos ergänzte er seine Texte, gestaltete am Computer ein Titelbild. Die Arbeit belohnte die Jury mit einem Anerkennungspreis, der Urkunde und 50 Euro umfasst. Pascal, der sich darüber riesig freut, denkt schon über ein neues Forschungsprojekt nach. Vielleicht macht er etwas in Physik.

Artikel vom 22.10.2005