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Grippe-Welle rollt an: Nur
jeder Vierte lässt sich impfen

Jährlich erkranken bis zu 8,5 Millionen Menschen an dieser Infektion

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Das Risiko einer Pandemie, einer weltweiten Grippe-Epidemie, ist nach Meinung der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) nicht zu unterschätzen. Jegliche Panik sei aber unangebracht, sagte gestern der zweite KVWL-Vorsitzende, Dr. Wolfgang-Axel Dryden, Allgemeinmediziner aus Kamen.
Der kleine Piks ist wichtig: Impfungen bieten vor vielen Infektionskrankheiten wie Grippe wirksamen Schutz. Dennoch bleibt diese kleine Patientin - wer will es ihr verübeln? - skeptisch. Foto: AOK
In der Vergangenheit seien infolge der Vogelgrippe auch etwa 60 menschliche Todesopfer zu beklagen gewesen. Diese Zahl sei weltweit jedoch gering in Anbetracht der jährlich zu verzeichnenden Todesopfer durch »normale« Influenza, sagte Dr. Dryden. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts fordere die Influenza-Epidemie allein in Deutschland jedes Jahr durchschnittlich 8000 Todesopfer. Im Winter 2002/2003 sollen es sogar bis zu 20 000 Tote gewesen sein.
Der wirksamste Schutz vor der immer noch unterschätzten Influenza biete nur eine entsprechende Impfung. Dryden: »Zwar steht in einigen Regionen derzeit nicht genügend Impfstoff zur Verfügung, allerdings hat das Gesundheitsministerium in Düsseldorf zugesagt, dass dieser Engpass Anfang November beseitigt ist. Deshalb mein Appell an alle Bürgerinnen und Bürger: Gehen Sie zu Ihrem Arzt und lassen Sie sich impfen.«
Nach Angaben des Landesinstituts für den öffentlichen Gesundheitsdienst schwankt die Zahl der Erkrankungen ja nach Stärke der Grippewelle von Jahr zu Jahr zwischen 1,5 und 8,5 Millionen. Die Zahl der Toten werde mit 3000 bis 30 000 angegeben, sagte Impfexperte Jürgen Rissland (38) dieser Zeitung. Rissland ist beim Landesinstitut Leiter des Grundsatzdezernates für Hygiene, Infektiologie und Impfwesen. Das Landesinstitut hat seinen Sitz in Bielefeld und verfügt in Münster über eine Außenstelle.
Bisher ließen sich bundesweit lediglich 24 Prozent der Bevölkerung gegen Grippe impfen, sagte Rissland. Bei der Risikogruppe - Menschen über 60 Jahre sowie Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens - betrage die Rate 33 Prozent. Selbst bei Ärzten und dem Pflegepersonal sei die Impfrate mit zehn bis 15 Prozent gering. Rissland: »Ich hoffe, dass die Mediziner in Zukunft bei der Grippeschutzimpfung mit gutem Beispiel vorangehen.« Schließlich hätten Ärzte eine Vorbildfunktion.
Einen Ausbruch der Grippewelle erwartet Rissländer bundesweit in einzelnen Regionen Ende Dezember. In Nordrhein-Westfalen gehe es vermutlich Ende der Weihnachtsferien los. Die Welle ebbe Ende März, Anfang April ab.
Bundesweit würden 20 Millionen Impfdosen für die Bevölkerung bereitgehalten. Im vergangenen Jahr seien nur 18 Millionen genutzt worden. Zwei Millionen Impfen hätten entsorgt werden müssen, da der Stoff nicht haltbar sei. Im Hinblick auf die näher rückende Vogelgrippe würden die Pharmaunternehmen ihre Produktionskapazitäten erhöhen, um genügend Impfstoff gegen die »normale« Grippe zu produzieren.
Zur Vorbeugung gegen die Gefahren, die von einem weltweiten Ausbruch eines neuartigen Grippevirus' ausgehen könnten, hatte die NRW-Landesregierung bereits im Juli die Bevorratung von virenhemmenden Medikamenten beschlossen. 33,5 Millionen Euro wurden dafür zur Verfügung gestellt. Diese Medikamente würden Zug um Zug angeschafft, sagte Rissländer.
Eine weltweite Grippe-Epidemie, eine Pandamie, trete in einem Zeitraum von elf bis 52 Jahren auf, sagte der Impfexperte. Die bisher letzte Pandemie habe es 1968 gegeben. Experten rechnen bei einer Pandemie in Deutschland mit bis zu 160 000 Grippeopfern und 21 Millionen Erkrankungen. Rissländer: »Eine neue Pandemie ist nicht eine Frage des Ob, sondern des Wann.«
Eine der schlimmsten Pandemien aller Zeiten löste 1918 die spanische Grippe aus. Bis zum Jahre 1923 infizierten sich 700 Millionen Menschen. In drei Wellen starben weltweit 25 bis 40 Millionen Menschen an dieser Infektionskrankheit.
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Artikel vom 21.10.2005