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Wirtschaft
ohne Schwung

Institute legen Herbstgutachten vor

Berlin (dpa). Die deutsche Wirtschaft wird nach Auffassung der führenden Forschungsinstitute im kommenden Jahr den Aufschwung verpassen.

In ihrem gestern vorgestellten Herbstgutachten rechnen sie für 2006 nur mit einer leichten Belebung von 1,2 Prozent. Damit wurde die Prognose des Frühjahrsgutachtens von 1,5 Prozent deutlich nach unten korrigiert. Für das laufende Jahr erhöhten die Experten ihre Vorhersage leicht auf 0,8 Prozent von zuvor 0,7 Prozent. Dagegen wird die Wirtschaft im gesamten Euroraum laut Prognose in diesem Jahr um 1,3 Prozent und im kommenden um 1,8 Prozent wachsen.
Auch 2006 sei in Deutschland am Arbeitsmarkt weiter »keine durchgreifende Besserung zu erwarten«, heißt es im Gutachten. Die Wirtschaftsforscher rechnen für das kommende Jahr nur mit einem geringen Rückgang der Arbeitslosenzahl auf durchschnittlich 4,76 Millionen bei einer Quote von 10,9 Prozent.
Die deutsche Konjunktur lebe nach wie vor hauptsächlich von Impulsen aus dem Ausland. Diese seien bisher nur in begrenztem Umfang auf die Binnenkonjunktur übergesprungen, die seit einem Jahr mehr oder weniger stagniere. Vor allem der private Konsum sei schwach geblieben. Die Gutachter betonen, die Weltwirtschaft werde trotz des Anstiegs der Ölpreise weiter kräftig expandieren. Zwar hätten die höheren Preise für Rohöl und andere Rohstoffe dämpfende Effekte, doch regten eine expansiv ausgerichtete Geldpolitik, niedrige Kapitalmarktzinsen, kräftig steigende Vermögenswerte und eine sehr günstige Ertragslage der Unternehmen die Konjunktur an.
Von der kommenden Bundesregierung verlangen die Forscher eine entschlossene Reformpolitik. Der Staat müsse die Eigenverantwortung der Bürger stärken und sich auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren. Gefordert wird, die öffentlichen Finanzen über Ausgabenkürzungen zu konsolidieren.
Die deutsche Wirtschaft hat nach der Vorlage des Herbstgutachtens der Forschungsinstitute die künftige Bundesregierung zu einem entschiedenen Reformkurs aufgefordert. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte: »Das Gutachten ist eine Mahnung an die Politik, den wirtschaftspolitischen Kurs tief greifend zu ändern. In den laufenden Koalitionsverhandlungen dürfen sich die Parteien nicht an den kritischen Punkten vorbeidrücken.« Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) sagte, das Herbstgutachten bestätige weitgehend die Einschätzung der Bundesregierung zur Konjunktur.
Verfasser des Gutachtens sind das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW/Berlin), das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv, das Münchner ifo-Institut, das Institut für Weltwirtschaft (Kiel), das Institut für Wirtschaftsforschung Halle und das RWI Essen. S.4: Kommentar

Artikel vom 21.10.2005