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Jetzt spielen die Nerven mit

Nach dem Frust von Istanbul: Schalke muss seine Hausaufgaben lösen

Istanbul (dpa). Wie schon gegen den AC Mailand hat der FC Schalke 04 bei Fenerbahce Istanbul mit einer Topleistung beeindruckt, den ersehnten Befreiungsschlag in der Champions League aber erneut verpasst.Trainer Ralf Rangnick: Große Enttäuschung über den verpassten »Dreier«. Foto: dpa
Auch nach dem rassigen 3:3 (0:1) in der türkischen Metropole am Bosporus bleibt die Furcht vor dem frühen Ausscheiden in der europäischen Königsklasse. »Wir müssen jetzt unsere beiden Heimspiele gewinnen. Dann sehen wir, wie die Tabelle aussieht«, bilanzierte Trainer Ralf Rangnick zur Halbzeit der Gruppenphase, die Schalke in der Gruppe E mit zwei Punkten derzeit als Schlusslicht hinter Mailand (5) sowie Fenerbahce und dem PSV Eindhoven (beide 4) ausweist.
Angesichts der Ausgeglichenheit des Quartetts sprach Fenerbahce- Coach Christoph Daum von einer »absoluten Nervengruppe. Wir hatten geglaubt, dass Milan in der Gruppe mehr dominieren würde, aber so ist weiter alles offen«, sagte der frühere Bundesligatrainer, der sein Wunschergebnis gegen den deutschen Vizemeister verpasste und seinen Frust nur mühsam verbergen konnte. »Jetzt kommt es auf das Rückspiel in 14 Tagen an. In Gelsenkirchen erwartet jeder von Schalke einen Sieg, zumal dort unser gesperrter Spielmacher Alex fehlt. Mal sehen, wie Schalke mit der Situation und dem Druck des Gewinnen-Müssens umgeht. Wir sind nicht gut damit zurecht gekommen.«
Im »Hexenkessel« des mit 45 000 fanatischen Fans voll besetzten Sükrü-Saracoglu-Stadions war der Revierclub von Beginn an die spielbestimmende Elf. Doch wie schon in acht Saison-Pflichtspielen zuvor gerieten die Knappen zunächst in Rückstand. Rangnick war aber nicht nur wegen des 0:1 durch den Kopfball von Fabio Luciano (14.) nach einem Alex-Freistoß genervt. »Alle drei Gegentore resultierten aus Standards. Mich ärgert vor allem die Entstehung. Das Foul und die Ecke waren unnötig.«
So nutzten Marcio Nobre (73.) und Stephen Appiah (79.) die individuellen Fehler des Bundesligisten, um die zweimalige Schalker Führung nach Lincolns Doppelschlag (59./62.) und Kevin Kuranyis Tor zum 3:2 (77.) postwendend wieder auszugleichen.
Die große Enttäuschung über den verpassten »Dreier« war absolut verständlich. »Wenn man drei Tore schießt, muss man einfach gewinnen. Aber das ist Champions League«, jammerte Lincoln, dessen Geniestreiche die Knappen in der zweiten Hälfte auf Kurs gebracht hatten. Auch Torhüter Frank Rost war sauer, dass der Sieg noch aus der Hand gegeben wurde: »Das ist das Lehrgeld, das wir bezahlt haben. Wir sind selber schuld, dass wir den Ausgleich bekommen haben. Vielleicht haben wir uns zu sehr gefreut.«
Allerdings war die 3:2-Führung ein »Geschenk« (Daum) des türkischen Meisters. Nach einem Pass in die Tiefe hatte Torwart Demirel Volkan einen Blackout, säbelte beim Herauslaufen am Ball vorbei und servierte dem nachsetzenden Kuranyi das Erfolgserlebnis auf dem Silbertablett.
Daum mochte den Aussetzer des jungen Nationalkeepers gar nicht weiter kommentieren (»Ist passiert und vorbei«), Rangnick indes bewertete das Tor als verdienten Lohn für die Mühen des für den verletzten Ebbe Sand (Nasenbeinbruch) eingewechselten Stürmers: »Kuranyi hat nachgesetzt, wo andere vielleicht schon abgedreht hätten.«
Unter dem Strich war Rangnick zufrieden mit dem engagierten Auftritt seiner Elf, auch wenn das Ergebnis ihn nicht froh stimmte. So blieb sogar noch Zeit für einen Seitenhieb gegen Bundestrainer Jürgen Klinsmann und dessen Assistenten Joachim Löw: »Wie die Mannschaft mental und körperlich den Rückstand verkraftet hat, zeigt, dass wir das Thema körperliche Fitness nicht diskutieren müssen.«

Artikel vom 21.10.2005