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Karussellgeschäfte im Visier

Kampf gegen Umsatzsteuerbetrug soll verstärkt werden

Berlin (dpa). Bund und Länder machen im Kampf gegen den milliardenschweren Umsatzsteuerbetrug nach jahrelanger Verzögerung jetzt Tempo.
Die Finanzminister der Länder einigten sich gestern in Berlin fast einstimmig darauf, ein deutlich weniger betrugsanfälliges Umsatzsteuermodell einzuführen und dies auch bei der EU-Kommission durchzusetzen.
Mit dem neuen System sollen vor allem »Karussellgeschäfte« unmöglich gemacht werden, mit denen internationale Banden den deutschen Staat jährlich um Milliarden prellen. Ein Umstieg, der nicht sofort machbar ist, soll in die Koalitionsgespräche einfließen. Brüssel muss dann zustimmen.
NRW-Finanzminister Helmut Linssen kündigte an, in Bochum, Bonn, Münster und Wuppertal würden vier spezialisierte Ermittlungsteams konzentriert. Außerdem soll eine »Umsatzsteuerbekämpfungszentrale« in der Nähe des Bonner Bundesamts für Finanzen die Arbeit aufnehmen.
Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) als Vorsitzender der Konferenz und sein rheinland-pfälzischer SPD-Kollege Gernot Mittler sprachen von einer »politischen Richtungsentscheidung« sowie einer »wichtigen Zwischenstation«. Die Zeit dränge. Zugleich müssten im bestehenden System »administrative Maßnahmen« verschärft werden.
Gefälschte Rechnungen und Scheingeschäfte kosten den Staat Schätzungen zufolge jährlich bis zu 21 Milliarden Euro. Bei keiner anderen Steuer ist das Betrugspotenzial so groß wie bei der Umsatz- oder Mehrwertsteuer. Das jetzige System lädt zum Betrug ein.
Nach dem Beschluss der Länderfinanzminister soll nun das »Reverse-Charge-Modell« (etwa: umgekehrte Belastung) eingeführt werden. Danach müsste ab einer Bagatellgrenze von voraussichtlich 5000 Euro generell der Abnehmer einer Ware oder Dienstleistung die Umsatzsteuer abführen. Die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs wird vom Verkäufer auf den Käufer verlagert.

Artikel vom 21.10.2005