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Tapfere Rentnerin (80)
kämpft um ihr Recht

Erna Bensiek erreicht sogar Wiederaufnahmeverfahren

Von Uwe Koch und
Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). Das muß dieser Rentnerin erstmal jemand nachmachen: Erna Bensiek (80) kämpfte jahrelang um ein Wegerecht und erreichte sogar ein Wiederaufnahmevefahren. Nun unterlag sie wieder und trägt die Niederlage tapfer: »Manchmal hat man Glück, manchmal Pech.«

»Tatort« ist ein kleines Wäldchen Im Bruche in Schröttinghausen an der Grenze zu Häger: 1996 erbte die 80-jährige Rentnerin das Waldstück und die Wiese (gesamt: zwei Hektar). Im Familienbesitz war das Grundstück schon seit 1910. Zu erreichen war das Fleckchen allerdings nur über die Wiese eines Nachbarn. Dafür, so wußte Erna Bensiek, gab es verbriefte Rechte, doch die waren verschollen. - Der 60 Meter lange und vier Meter breite Feldweg war dem benachbarten Landwirt jedoch ein Dorn im Auge. 2002 zog der Bauer einen Schlußstrich unter den persönlich ausgetragenen Wegestreit und pflügte den Feldweg kurzerhand um. Zwar ließ er Erna Bensiek eine provisorische Zuwegung am Feldrand, doch damit gab sich die Rentnerin nicht zufrieden. Sie verklagte ihren Nachbarn und hatte in dem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Bielefeld und in der zweiten Instanz vor dem Landgericht Bielefeld kein Glück: Die Klage wurde abgewiesen.
Erna Bensiek gab nicht auf: Auf der Suche nach ihrem Recht wurde sie im vergangenen Jahr auch fündig. In einer Truhe auf dem Dachboden lag die Akte mit den Urkunden des »Königlich Bielefelder Amtsgerichts« und des »Königlich Bielefelder Landgerichts« aus den Jahren 1910/1911.
Erneut wagte Erna Bensiek den Gang zur Justiz und konnte einen einzigartigen Erfolg verbuchen: Das Landgericht ließ nun eine sogenannte »Restitutionsklage« zu. Das ist eine Wiederaufnahmeverfahren, das nur höchst selten gewährt wird. Landgerichts-Vizepräsident Hans-Dieter Dodt erklärte: »Das ist ein Ausnahmerecht und durchbricht die Rechtskraft. Die Anforderungen daran sind sehr hoch.« Frage für die Richter: Hätte die rüstige 80-Jährige die Urkunde schon vor dem ersten Verfahren finden können, ja müssen? Die 21. Zivilkammer entschied am Mittwoch gegen Erna Bensiek, denn die Rentnerin habe doch von der Existenz der Urkunde gewußt. Die Entschuldigung der Frau, sie habe wegen eines Unfalls (Armbruch) »im Winter nicht auf dem kalten Dachboden suchen« können, ließen die Richter nicht gelten. Erna Bensiek ist traurig, aber gefaßt: »Wir können`s nicht ändern, jammern hilft nicht.« Az. 21 S 124/05

Artikel vom 20.10.2005