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Kopieren als Kompliment

Unternehmer stoßen in China auf viele Stolpersteine

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Als der spätere Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann 1977 als junger Abgeordneter China besuchte, ging um 18 Uhr das Licht aus. 28 Jahre später ist das Reich der Mitte eine leuchtende wirtschaftliche Großmacht.

1,3 Milliarden Menschen lassen jedes Jahr das Bruttoinlandsprodukt um zehn Prozent und mehr wachsen und führen Waren im Wert von 492 Milliarden Euro aus. »Für deutsche Großunternehmen ist China ein Muss, für mittelständische Betriebe kann es zum Risiko werden«, sagte Haussmann gestern beim Informationstag des Bielefelder IT-Dienstleisters Itelligence AG über das Reich der Mitte. Weil sich China beim weiteren Aufbau des Landes nicht von einer Weltmacht wie den USA abhängig machen wolle, seien deutsche Unternehmen »hochwillkommen«.
Gleichwohl hätten 60 Prozent der deutschen Investitionen bislang nicht gefruchtet, gab Haussmann zu bedenken. Das hänge mit hohen Logistikkosten, aber vor allem mit der kulturellen Andersartigkeit zusammen. In Verhandlungen gehe es chinesischen Geschäftsleuten vor allem darum, nicht das Gesicht zu verlieren. Verträge seien zweitrangig. Außerdem könnten sich deutsche Investoren nicht auf einen zentralen Ansprechpartner konzentrieren. Haussmann: »Das lokale und regionale Beziehungsgeflecht ist für kleine und mittlere Unternehmen schwer durchschaubar.«
Chinesen hätten zum Beispiel bei Produktpiraterie ein anderes Unrechtsverständnis, betonte der Autor des Buches »Das asiatische Jahrhundert«, Karl Pilny. Das Kopieren des Meisters gelte nach konfuzianischer Lehre als Kompliment für den Meister und nicht als Verstoß gegen das Markenrecht. Selbst wenn es um millionenschwere Geschäfte gehe, reichten den Chinesen Verträge von ein, zwei Seiten. »Verträge sind für sie nicht der Schlusspunkt, sondern der Anfang der geschäftlichen Beziehung«, erläuterte Pilny. Seit 2004 ist das Recht auf Eigentum in der Verfassung verankert, seit Mitte desselben Jahres können ausländische Unternehmen in China Handelsgesellschaften gründen. Anfang 2006 will die Regierung in Peking durch eine Steuerreform chinesische und ausländische Firmen weitgehend gleichstellen.

Artikel vom 20.10.2005