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Auch nach 15 Jahren gibt
es noch viele Unterschiede
Von der Liebe zwischen Ost und West: Paare erzählen ihre Geschichte
Seit 15 Jahren sind die beiden deutschen Staaten wieder vereinigt und soll »zusammenwachsen, was zusammengehört«. Doch noch immer scheint es einen unsichtbaren Graben zwischen Ost und West zu geben - und der dokumentiert sich (auch) in Liebesbeziehungen.
Simone Schmollack, freie Journalistin aus (Ost-)Berlin, hat versucht, zu ergründen, worin die Unterschiede liegen, die noch heute Menschen aus dem Osten und dem Westen das Zusammenleben schwer machen können. Sie traf sich mit verschiedenen Paaren, die - egal ob alt oder jung, verheiratet oder schon wieder getrennt lebend - zumindest eines gemeinsam haben: Einer der Partner kommt aus dem Osten, einer aus dem Westen. Die Interviews hat sie in dem Buch »Deutsch-deutsche Beziehungen« zusammengefasst.
Es gibt keine Zahlen darüber, wieviele Ost-West-Beziehungen es gibt. Lediglich das Statistische Landesamt Berlin hat erfasst, dass 3,5 Prozent aller Ehen, die 1995 geschlossen wurden, Ost-West-Verbindungen waren. Beziehungen ohne Trauschein wurden nicht erfasst. Deshalb ist Simone Schmollack selbst aktiv geworden und hat Paare befragt. Die Beteiligten kommen jeweils getrennt voneinander zu Wort.
Einige haben sich bereits zu DDR-Zeiten getroffen und ihre Beziehung heimlich gelebt - und dabei schnell unangenehme Erfahrungen mit Staatssicherheit und Grenzpolizei machen müssen. Andere sind sich im allgemeinen Freudentaumel gleich nach der Maueröffnung begegnet, wieder andere haben erst vor kurzem zueinander gefunden. Letztere hatten es dabei offensichtlich leichter, hat Simone Schmollack festgestellt: »Ost-West-Paare, die sich bis Mitte der 90er Jahre gefunden haben, bekamen die kulturellen, emanzipatorischen und ökonomischen Unterschiede stärker zu spüren als Paare, die sich erst vor wenigen Jahren getroffen haben. Sie haben gesellschaftliche Vorgänge gewissermaßen hautnah erlebt.«
Simone Schmollack hat außerdem festgestellt, dass Ost-West-Beziehungen meist im Osten gelebt werden. Offensichtlich sind mehr Westdeutsche bereit, der Liebe wegen in den Osten zu ziehen, als umgekehrt. Auch werde zumeist die »klassische Variante« gewählt: Die Frau kommt aus dem Osten, der Mann aus dem Westen.
Eine allgemeinverbindliche Formel für das Gelingen einer solchen Partnerschaft gibt es aber ebensowenig wie für andere Partnerschaften. Während manche mit noch mehr Vorurteilen als sie zuvor hatten aus einer gescheiterten Beziehung wieder herausgekommen sind, haben andere einen Weg gefunden, sich über viele Gespräche und mit Verständnis füreinander anzunähern. Und diese Paare empfinden es offensichtlich als große Bereicherung, so intensiv aus erster Hand etwas über das Leben im jeweils anderen Teil Deutschlands zu erfahren.
Diese Chance bietet auch das Buch von Simone Schmollack. Indem die Beteiligten von ihren Erfahrungen berichten, von ihrem Leben vor, während und eventuell auch nach der Partnerschaft, wird ganz nebenbei auch ein Stück deutsch-deutscher Geschichte lebendig und nachvollziehbar. Und nicht zuletzt geht es auch um die Liebe - mal gibt es schöne, mal traurige, mal nachdenklich stimmende Liebesgeschichten. Aber immer kann man etwas daraus lernen. Corinna Strate
Simone Schmollack: »Deutsch-deutsche Beziehungen«, Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, 9,90 Euro.

Artikel vom 29.10.2005