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Ein Leben wie ein
miserabler Film

Mörder soll noch acht Jahre absitzen

Bielefeld (uko). Der bereits als Mörder verurteilte Häftling Joachim J. (45) soll weitere acht Jahre im Gefängnis verbringen. Diese Strafe hat am Dienstag Oberstaatsanwältin Ruth Dringenberg-Enders wegen Missbrauchs von Kindern und wegen exhibitionistischer Handlungen gefordert.

Von Anfang bis November 2004 hatte ein Unbekannter vornehmlich im Bielefelder Süden für große Unruhe gesorgt. Häufig zeigte sich ein Mann vor Kindern und Jugendlichen, entblößte sich und nahm sexuelle Handlungen vor. In einem Fall war ein erst fünf Jahre alter Junge das Opfer des Mannes.
Eine Sonderkommission der Polizei machte schließlich Joachim J. als Täter aus. Unumwunden legte der 45-Jährige ein Geständnis ab, gab obendrein noch mehr Taten als die bereits ermittelten zu. Joachim J. saß seit Beginn des vergangenen Jahres als Freigänger in der Haftanstalt Bielefeld-Senne ein. Er verbrachte hier die womöglich letzten Monate in Unfreiheit, da er schon 17 Jahre Haft hinter sich gebracht hatte: 1987 hatte sich J. in Köln als Strichjunge betätigt und hatte im Juni des Jahres einen Freier erschlagen. Die Leiche war erst vier Monate - bereits mumifiziert und teilweise skelettiert - gefunden worden. J. war im Zuge anderer Straftaten festgenommen worden. Das Landgericht Köln verurteilte den Mörder dann zu lebenslanger Haft.
Nach verschiedenen Haftlockerungen stand für den Mann 2004 die vorzeitige Entlassung an J. hatte den Anstalts-Therapeuten zwar seine homophile, nicht jedoch seine pädophile Neigungen gestanden hatte.
Dringenberg-Enders skizzierte das trostlose Leben gestern in ihrem Plädoyer mit einem cineastischen Vergleich: »Würde man einen Film mit diesen Fakten drehen, so müsste sich der Regisseur den Vorwurf gefallen lassen, zuviel Klischees verarbeitet zu haben.« J. war nach dem Tod seiner Mutter und dem Desinteresse des Vaters an seinem Sohn durch Kinder- und Jugendheime weitergereicht worden. Früh geriet er in die Stricherszene in Köln, es folgten unstete Auslandsaufenthalte und massive Straftaten.
Die Oberstaatsanwältin unterließ es in ihrem Plädoyer, zudem die ursprünglich beantragte Sicherungsverwahrung zu fordern, obgleich die formellen Voraussetzungen dafür vorlägen. J. habe eine Lebensbeichte abgelegt, allein der Druck einer noch drohenden Maßregel könne ihn dazu bringen, sich therapieren zu lassen. - Das Urteil wird Donnerstag verkündet.

Artikel vom 19.10.2005