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Torex gibt Anker keine Chance

Nach der Akquisition der Bielefelder droht jetzt massiver Stellenabbau

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). Nach der Übernahme durch die englische Torex Retail sind beim Bielefelder Traditionsunternehmen Anker zahlreiche Arbeitsplätze in Gefahr. Die Aktivitäten sollen in Berlin konzentriert werden.
Massiver Protest langjähriger Mitarbeiter in Bielefeld. Geht es nach den Torex-Managern, verlieren sie ihren Job, bleibt nur ein Teil der Produktion erhalten. Der Hauptsitz wandert nach Berlin.Foto: Michael Diekmann

Innerhalb weniger Tage haben die Manager von Torex Retail in Berlin damit eine komplette Wende in der Marschrichtung des führenden europäischen Anbieters von IT-Systemen vorgelegt. Wie Jeroen Boon, Vorsitzender der neuen Geschäftsführung, gestern bei einer turbulenten Betriebsversammlung in Bielefeld unter Protest erklärte, sei die Verlegung der Zentrale nach Bielefeld vom Tisch. Im Gegenteil: Mit Ausnahme der produzierenden Abteilung werden alle Bielefelder Bereiche vom Standort abgezogen. Für die meisten langjährigen Mitarbeiter des traditionsreichen Kassenherstellers geht diese Ankündigung mit der Kündigung einher.
Torex Retail hatte die Anker Systems GmbH (Bielefeld) erst kürzlich übernommen, das entsprechende Aktienpaket in London erworben. Für Anker arbeiten insgesamt 390 Mitarbeiter, davon 340 in Bielefeld, wo von 60 Fachkräften Komponenten für Kassensysteme gefertigt werden. Ebenfalls in Bielefeld: 150 kaufmännische und technische Angestellte sowie 130 Mitarbeiter im Außendienst. Boon macht den massiven Einschnitt in Bielefeld an seiner Aussage nach »unattraktiven Rahmenbedingungen und unflexiblen Strukturen« fest. Flächentarif und Arbeitszeiten seien in Bielefeld ein erheblicher Nachteil. Die Bielefelder Anker-Mitarbeiter, die nach ihrem Kenntnisstand von Freitag über den Hauptsitz Bielefeld hatten verhandeln wollen, waren nach Auskunft von IG-Metall Bevollmächtigtem Harry Domnik von der Berliner Kehrtwende völlig überrollt worden. Domnik: »Ein überfallartiges Kommando und die Absicht der Mitnahme eines gesamten Bielefelder Betriebes.« Tatsächlich sollen neben dem Außendienst, wo ebenfalls deutliche Einschnitte zu erwarten sind, laut IG Metall nur 40 Mitarbeiter in der Produktion verbleiben.
Dass in den kommenden Wochen bei Anker ein massiver Arbeitskampf zu erwarten ist, steht für die Betroffenen außer Frage. Jeroen Boon, der noch während der Betriebsversammlung sowohl Bedenkzeit als auch weitere Gesprächsmöglichkeiten ablehnte, beruft sich auf das Ziel der Berliner Zentrale (160 Mitarbeiter), die das gesamte Thema Bielefeld und Anker in zehn Tagen zu Ende verhandelt haben will. Boon: »Jeder Tag mehr ist uneffektiv.«
Betriebsrat und Gewerkschaft richten sich darauf ein, zumindest im Hinblick auf Sozialpläne und Abfindungen für ihre Betroffenen das Beste heraus zu holen. Domnik: »An der Entscheidung von Torex, über Bielefeld gar nicht mehr zu verhandeln, haben wir keine Möglichkeit der juristischen Einflussnahme.« Vielmehr müsse man sich auf den Verlust von mindestens 150 Arbeitsplätzen einrichten. Wann der Standort Bielefeld aufgegeben wird, ist nach Einschätzung der Anker-Mitarbeiter nur noch eine Frage der Zeit: dann wenn die gesamte Technologie in Berlin angekommen ist. Torex Retail macht aus seiner Zukunftsstrategie kein Geheimnis, stellt sie ins Internet: Nach der Akquisition von inzwischen drei Firmen in Deutschland verschaffe man sich eine starke Position, wolle fortan noch schlanker agieren.

Artikel vom 19.10.2005