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Baureihe 23 ist
ausgestorben

Auch Bielefelder Lok im Museum zerstört

Nürnberg/Bielefeld (WB/dpa/mm). Der Großbrand in einem Schaudepot des Nürnberger Museums der Deutschen Bahn (DB) hat unschätzbare Werte der deutschen Bahngeschichte vernichtet. Insgesamt 24 historische Loks und Wagen sind ein Raub der Flammen geworden, berichtete gestern Museumsleiter Jürgen Franzke.

Darunter befindet sich der 70 Jahre alte funktionstüchtige Nachbau des »Adler« aus dem Jahr 1935. Die älteste deutsche Dampflokomotive hatte vor 170 Jahren, am 7. Dezember 1835, den Betrieb zwischen Nürnberg und Fürth aufgenommen.
Zerstört wurde auch die Dampflok »01 150«, die von dem Bielefelder Lokomotivführer Olaf Teubert mit zwei Freunden in den 80er Jahren restauriert worden war. Der Unternehmer Walter Seidensticker hatte die 1935 von Henschel & Sohn, Kassel, gebaute Lok in schrottreifem Zustand gekauft. 1988 ging die »Königin der Schienen« wieder in den Besitz der Deutschen Bahn über, war seitdem bei Nostalgiefahrten in Süddeutschland im Einsatz.
»Nürnberg war unser wichtigstes Depot«, verdeutlicht Museumschef Franzke das Ausmaß des Schadens. Das Feuer habe ein Fünftel der Lok- und Wagensammlung des DB-Museums zerstört. Die Ursache des Brandes war gestern noch nicht bekannt. Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler waren am Montag Arbeiter mit der Sanierung des Depotdachs beschäftigt. Dabei seien Bitumenbahnen heiß verklebt worden. »Inwieweit dies mit dem Brandausbruch zusammenhängt, kann noch nicht beurteilt werden«, betonte die Polizei.
Franzke schätzte den materiellen Schaden auf mehrere Millionen Euro. »Historisch betrachtet ist der Wert aber nicht zu beziffern«, fügte er hinzu. Vom »Adler« besitze das Museum jetzt nur noch einen Nachbau aus den 50er Jahren, der aber nicht betriebsfähig sei. Dieser steht im eigentlichen Museum in der Innenstadt.
Eisenbahn-Enthusiasten zeigten sich bundesweit erschüttert über den Verlust an historischem Material. Die »Drehscheibe«, größtes Eisenbahn-Fan-Forum im Internet, verzeichnet seit der Nacht Rekordzugriffszahlen. Besonders schwer wiegt nach Franzkes Einschätzung der Verlust der letzten von der Bundesbahn gebauten Dampflok, einer Lokomotive der Baureihe 23 von 1959. »Damit ist diese Baureihe ausgestorben«, klagte der Museumschef.
In dem Lokschuppen waren vor allem Loks und Wagen untergebracht, für die im drei Kilometer entfernten DB-Museum kein Platz mehr war. Franzke kündigte an, man werde versuchen, einen Teil der zerstörten Fahrzeuge originalgetreu nachzubauen. »Die Pläne dafür sind vorhanden.«
Das Feuer war am Montagabend gegen 20 Uhr ausgebrochen und hatte sich schnell auf die gesamte 1500 Quadratmeter große, mit 100 Jahren ebenfalls historische Halle ausgedehnt. Eine Diesel-Lok sei regelrecht explodiert, sagte ein Feuerwehrsprecher. 200 Männer waren im Einsatz.

Artikel vom 19.10.2005