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Saddam vor Gericht

Ein Ruch von Siegerjustiz


60 Jahre nach dem Viermächte-Beschluss über ein Militärtribunal in Deutschland steht von heute an Saddam Hussein vor irakischen Richtern. Das ist grundsätzlich gut und ein Erfolg.
Der britische Premier Winston Churchill hatte seinerzeit ursprünglich vor, »Hitler, Göring, Himmler und andere Ungeheuer« nach ihrer Verhaftung sofort erschießen zu lassen. Saddams Opfer halten auch ein Todesurteil über den Ex-Despoten für zu gnädig. In Nürnberg kam es 1945 übrigens anders, auch weil Stalin einen (Schau-)Prozess wollte.
Damals gab es, das ist unter Historikern unstrittig, Siegerjustiz. Die sollte inzwischen überwunden sein. Deshalb stünden der gestürzte Diktator und sieben weitere Angeklagte besser vor einem internationalen Gericht. Die weltweit erreichte Rechtsentwicklung von den Nürnberger Prozessen zu internationaler Strafgerichtsbarkeit droht auf den Kopf gestellt zu werden.
Auch wenn die USA nicht mit dem permanenten Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zusammenarbeiten (warum eigentlich nicht?), hätte ein von der gesamten Staatengemeinschaft getragenes Gericht eingesetzt werden können - so wie für Jugoslawien, Ruanda oder Sierra Leone. Reinhard Brockmann

Artikel vom 19.10.2005