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Hoyzer erscheint im
schwarzen Anzug

Auftakt im Skandalprozess: Ante Sapina spielsüchtig

Berlin (dpa). Skandal-Schiedsrichter Robert Hoyzer soll in insgesamt elf Fällen an Spielmanipulationen im deutschen Fußball beteiligt gewesen sein. Dies wirft die Staatsanwaltschaft dem 26-Jährigen in der Anklageschrift vor, die zu Beginn des spektakulären Fußball-Prozesses gestern verlesen wurde.Angeklagt: Ante Sapina.
Hoyzer muss sich wie sein ehemaliger Schiedsrichter-Kollege Dominik Marks und Ex-Profi Steffen Karl sowie die ebenfalls angeklagten kroatischen Brüder Filip, Milan und Ante Sapina wegen »gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs« vor dem Landgericht Berlin verantworten.
Ante Sapina, dem die Staatsanwaltschaft eine »herausgehobene Position« bei den Straftaten zuordnet, werden bei der Manipulation von Spielen und Sportwetten insgesamt 42 strafbare Handlungen vorgeworfen. »Alle Anklagepunkte sind im wesentlichen zutreffend«, gestand der Drahtzieher. Der Geschäftsführer des Cafè King, das als »Zentrale« des Wettbetrugs galt, machte seine ausgeprägte Spielsucht für die Manipulationen verantwortlich.
Mit 16 begann der heute 29-jährige Kroate mit Sportwetten und landete mit dem Meister-Tipp FC Bayern 2000 den ersten großen Treffer von 100 000 Mark. »Für mich war immer nur die Quote wichtig. Egal, ob da Real Madrid spielt oder irgendein Tennis-Match läuft«, betonte Ante Sapina, der seit 28. Januar in Untersuchungshaft sitzt. Das Gericht verblüffte er in seinen zweieinhalbstündigen Ausführungen mit Detail-Kenntnissen vom Baseball bis in untere Fußball-Ligen hinein. Über Einzelheiten der Manipulation will er sich morgen äußern.
Richterin Gerti Kramer muss an den 18 Verhandlungstagen auch klären, welche Rolle für die Mitangeklagten vorgesehen war. Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Fätkinhäuer und Staatsanwalt Thorsten Cloidt stellten in der Anklageschrift fest: Die in die unmittelbare Spielmanipulation involvierten Schiedsrichter, Schiedsrichter-Betreuer und Spieler hätten zwar Kenntnis von dem Abschluss hoher Sportwetten gehabt, »waren aber in die Einzelheiten der Anzahl, der Höhe und des Ortes des Wettabschlusses nicht eingeweiht«. Milan Sapina werden elf, Karl und Marks je fünf sowie Filip Sapina drei strafbare Handlungen vorgeworfen.
Laut Staatsanwaltschaft soll es Manipulationsversuche bei insgesamt 23 Spielen in der Regionalliga, der 1. und 2. Bundesliga, dem DFB-Pokal, bei einem Freundschaftsspiel sowie in einer Partie (Ankaragücü - Galatasaray Istanbul) der höchsten türkischen Liga gegeben haben. In einem Fall wird Hoyzer auch der »Verabredung« zum Verbrechen beschuldigt. Insgesamt soll durch den Betrug ein Schaden von mehr als zwei Millionen Euro entstanden sein.
Schon zwei Stunden vor Prozessbeginn hatten Interessierte Schlange gestanden, um einen der 60 Besucherplätze im Saal 500 zu erobern. Acht Kamerateams und mehr als 20 Fotografen stürmten auf Hoyzer ein, als der um 9.31 Uhr wortlos das Gericht betrat. Beim Verlesen der Anklage wirkte der im schwarzen Anzug und gestylten Haar erschienene Berliner konzentriert und notierte sich Details.
Der Ex-Referee hatte schon zuvor angekündigt, auch während des Prozesses über jede Einzelheit Auskunft zu geben. Als Kronzeuge aber könne er nicht gelten: »Er ist Angeklagter«, sagte Bödeker. Es könne jedoch ein Strafmilderungsgrund sein, wenn Hoyzer sein Geständnis vor dem Gericht wiederhole. Auf »gewerbs- und bandenmäßigen Betrug« stehen Freiheitsstrafen von einem bis zu zehn Jahren. Morgen wird weiter verhandelt, dann soll wahrscheinlich auch Hoyzer aussagen.

Artikel vom 19.10.2005