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Kuren an Österreichs Küste

Die Kvarner Bucht im heutigen Kroatien hat eine politisch bewegte Vergangenheit

Von Thomas Albertsen
Opatija (WB). Die k.u.k. Heilbäder an der ehemals österreichischen Riviera leben wieder auf. Opatija und Lovran sind nur zwei Beispiele von Kurorten in Kroatien, die zum einen die medizinische Badekur wieder beleben wollen, aber auch auf zeitgemäße Formen von Wellness setzen. Noch ist das Angebot aber überschaubar.

Maria Brubnjak ist 92 Jahre alt und hat ihr ganzes Leben in Lovran gewohnt. Ein einziger Wohnsitz fast ein ganzes Jahrhundert lang - aber die Adresse an der heute nach Marschall Tito benannten Straße hat in dieser Zeit in fünf Staaten gelegen. Geboren wurde Maria in Österreich-Ungarn, ihre Jugend verbrachte sie in Italien, kurzfristig war Lovran auch von den Deutschen besetzt, ehe es im Rahmen der europäischen Neuordnung nach dem Zweiten Weltkrieg dem künstlichen Staatsgebilde Jugoslawien zugeordnet wurde. Und im hohen Alter musste Maria Brubnjak noch einmal Krieg und Angst durchleben, denn die Geburtswehen des unabhängigen Kroatien verliefen bekanntlich ebenso stürmisch wie blutig. Ihr Sohn Vojko lebt und denkt ebenfalls in internationalen, kosmopolitischen Dimensionen: Er kurbelt engagiert den Tourismus in seinem Heimatort an. Die elegante Kvarner Bucht ist auf dem besten Wege, an die Glanzzeiten der k.u.k. Monarchie anzuknüpfen und hat das Zeug, der ehemals österreichischen Riviera heute unter der Flagge Kroatiens eine große Zukunft zu ebnen.
Neben dem beschaulich- eleganten Lovran ist es vor allen Dingen das Seebad Opatija, dass an seine mondäne Vergangenheit anknüpfen will. Ivo Robic sang einst im Kvarner Grandhotel »Strangers In The Night« auf kroatisch, heute kommt seine Stimme im Hotel Millenj immerhin noch vom Band -Ê beim Frühstück mit Blick auf die einstmals österreichische Riviera wird Kaviar serviert, aber auch ein opulentes Kuchenbüffet vermag Naschkatzen bereits am Morgen zu erfreuen. Natürlich sind die Leinentischdecken frisch gestärkt, stehen frische Blumen auf dem Tisch und wird stilvoll ein Glas Sekt serviert. Opatija war Österreichs Antwort auf San Remo und Nizza und hatte seine Glanzzeit vor dem Ersten Weltkrieg, als Majestäten, Dichter und Komponisten sich dort die Türklinken in die Hand gaben. Es ging geradezu dekadent zu: Für die hochherrschaftlichen Gäste wurden Torten per Zug aus dem Wiener Hotel Sacher und dem Budapester Café Gerbeaud herangeschafft.
Mit steilen Bergen im Rücken und auf der Meerseite durch vorgelagerte Inseln geschützt, ist es in Opatija und Lovran stets ein paar Grad wärmer als in der Umgebung, so dass es im Winter praktisch nie schneit. Weil man dann aber trotzdem auf das Baden im Mittelmeer verzichten muss, floss Meerwasser früher aus den Wasserhähnen der Hotels, die außerdem über große Wintergärten verfügten. 62 Ärzte kümmerten sich in zwölf Sanatorien um das Wohlergehen ihrer Gäste, und wer nicht mit dem eigenen Wagen anreiste, konnte sich immerhin mit der Straßenbahn an der Küste bewegen - bis die Italiener sie schließlich demontierten. Die Nachbarn vom »Stiefel« wussten damals genau, was sie taten, als sie Opatija und Umgebung die notwenigen Gelder für Investitonen vorenthielten -Ê so förderten sie ihre eigenen traditionellen Seebäder. Das große Plus der beiden Orte ist heute ihre schöne Promenade, die sich kilometerweit am Ufer des Mittelmeeres entlang zieht und zum ruhigen Bummeln einlädt. Zur Seeseite, das besagten die Bauvorschriften, musste die Prunkfassade ausgerichtet sein und ein Garten angelegt werden. Das Ufer indes durfte nie vereinnahmt werden, sondern musste immer der Öffentlichkeit zugänglich bleiben.
Während Opatija von Hotels geprägt war und heute auch mit schönen Geschäften glänzt, war Lovran immer Standort herrschaftlicher Villen. Vojko Brubnjak: »Wir wollen, dass diese nun zügig renoviert und in schöne Boutiquehotels verwandelt werden, damit sich auch bei uns Gäste wohlfühlen können.« Die beiden schönsten Anwesen haben sich jedoch bereits russische Milliardäre gesichert. Was Brubnjak vorschwebt, sind Domizile wie die Villa Astra des Unternehmers Vjeko Martinko, der dieses kleine, aber feine Fünf-Sterne-Hotel in naher Zukunft mit dem Erwerb des Nachbarhauses vergrößern und damit auf eine sichere wirtschaftliche Basis stellen will. Momentan kann er nämlich nur sechs Zimmer vermieten. Martinko, ein gebildeter Kosmopolit, dem die balkantypischen Polit-Händel zutiefst zuwider sind, besitzt auch ein uriges Domizil in den Ucka-Bergen hoch über Lovran. Dort können seine Gäste nach Wanderungen im Nationalpark einkehren und deftige regionale Schmankerln genießen, aber auch in einfachen Zimmern übernachten. Das 1999 proklamierte Naturschutzgebiet ist 160 Quadratkilometer groß und bildet die natürliche Grenze zu Istrien, welches durch den Ucka-Höhenzug vom Rest Kroatiens abgeriegelt wird. Erst ein Tunnel hat die Zufahrt wesentlich erleichtert. Schroffe Schluchten, steile Karstkegel, der Blick zu den voregelagerten Inseln, seltene Greifvögel und Orchideen, Fossilien und archäologische Fundstätten bieten Wanderern vielfältige Erlebnisse. Wem das nicht genug ist, der kann auch Mountainbiken, sich mit dem Paraglider in die Lüfte schwingen, klettern, reiten oder Höhlen erkunden.
www.opatija-tourism.hr
www.tz-lovran.hrwww.lovranske-vile.com

Artikel vom 02.12.2005