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Die Mannesmann-Freisprüche wackeln

Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof: ein Schaulaufen hochkarätiger Jursiten

Von Wolfgang Janisch
Karlsruhe (dpa). Ein Victory-Zeichen wird es diesmal nicht geben - schon deshalb, weil der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann am Donnerstag nicht nach Karlsruhe kommen wird, um auf der Anklagebank des Bundesgerichtshofs (BGH) Platz zu nehmen.
Ein goldener Handschlag, der 30 Millionen Euro wert war: Für den früheren Mannesmann-Vorstandsvorsitzenden Klaus Esser (rechts) hat sich die Einigung mit dem damaligen Vodafone-Chef Chris Gent über eine Übernahme gelohnt.

Außerdem: Allzu große Siegesgewissheit wäre verfehlt - denn der Freispruch Ackermanns und seiner Mitangeklagten steht auf wackeligen Beinen. Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser will selbst am Prozess teilnehmen. Doch was im Revisionsverfahren um die Millionenprämien bei der Mannesmann-Übernahme durch Vodafone zu sagen ist, werden vor allem hochkarätige Rechtsanwälte vortragen Die sechs Angeklagten, zu denen auch der frühere IG-Metall-Chef Klaus Zwickel gehört, bieten die allererste Garde der deutschen Strafverteidiger auf. Die 14 in Wirtschafts- und Parteispendenprozessen erprobten Staranwälte sollen den Sieg verteidigen, den sie am 22. Juli 2004 am Landgericht Düsseldorf errungen hatten.
Allerdings könnte es ein Schaulaufen auf dünnem Eis werden. Die Bundesanwaltschaft hält die umstrittenen Zahlungen von 60 Millionen Euro an Manager und Ex-Vorstände für strafbar. Allein Esser hatte eine Prämie sowie vertragliche Vergütungen von zusammen etwa 30 Millionen Euro erhalten.
Es geht konkret um die Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen - also um die Verantwortung der Manager für das Geld der Aktionäre.
Was die Sache so kompliziert macht, ist das Nebeneinander von Aktien- und Strafrecht. Das Landgericht Düsseldorf hatte Ackermann, Zwickel und dem früheren Aufsichtsratschef Joachim Funk wegen der Esser-Prämie zwar einen Verstoß gegen das Aktienrecht vorgeworfen: Der Bonus sei nicht im Interesse von Mannesmann gewesen - Esser, mit einem üppigen Gehalt ausgestattet, sei so doppelt entlohnt worden.
Dennoch sah das Landgericht den Rechtsverstoß nicht als strafbare Untreue an - dafür sei eine »gravierende Pflichtverletzung« erforderlich. Eine Konstruktion, die nach Aufassung Bernd Schünemanns unhaltbar sei. Der Münchner Strafrechtler: Zwar habe der BGH in einigen Konstellationen die Hürde für die Untreue-Strafbarkeit höher gesetzt - auf die der Mannesmannfall nicht passe. Wer den kleinsten Gegenstand aus dem Betrieb mitgehen lasse, werde wegen Diebstahls bestraft.
Noch heikler ist der »unvermeidbare Verbotsirrtum«, mit dem das Landgericht Ackermann und Zwickel von der strafrechtlichen Verantwortung der 4,5 Millionen-Euro-Prämie für den Ex-Vorstandschef Funk entbunden hat. Diese Rechtsfigur kommt in der Praxis fast nicht vor, weil sonst ja jeder sagen könnte, er habe den Paragrafen nicht gekannt. Den Angeklagten, die sich die besten Rechtsberater leisten können, billigten die Düsseldorfer Richter zu, das Recht nicht überblickt zu haben - weil die Frage der Abfindung für Ex-Vorstände juristisch umstritten sei.

Artikel vom 18.10.2005