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Große Fuge wird
jetzt versteigert

Letzte Beethoven-Partitur entdeckt

Von Gisela Ostwald
London (dpa). Für den Musikwissenschaftler gibt es keinen Zweifel: »Dies ist ein Beethoven.« Kein anderer Komponist habe so häufig roten Siegelwachs als Klebstoff verwendet, um Seiten oder Seitenteile seiner Partituren auszutauschen.
Ein Blatt der »Großen Fuge für Klavier zu vier Händen, Op. 134« mit Korrekturen.Foto: Reuters

»Beethoven, hin und wieder auch noch Liszt«, sagt Stephen Roe vom Auktionshaus Sotheby's. Das 80-seitige Manuskript, das jetzt in einem amerikanischen Priesterseminar entdeckt wurde, trägt keinen Namen. Es verrät die Feder des Komponisten Ludwig van Beethoven (1770- 1827) aber »hundertprozentig«, sagen die Experten. Sie identifizierten die Partitur als »Große Fuge« für Klavier zu vier Händen, Op. 134.
Beethovens »Handschrift ist unverkennbar«, sagt Roe, der bei Sotheby's die Abteilung für kostbare Dokumente leitet. Typisch Beethoven sei auch, dass dramatische Passagen seiner Musik sich auch im Bild niederschlagen: Die Schrift wird steil und »aufgeregt«, seine Notenschlüssel sind nur noch schwer zu lesen.
Beethoven war als überaus selbstkritisch bekannt. Er brauchte lange, bis er eine Komposition als vollendet ansah. An der jetzt entdeckten Partitur nahm er tausende Veränderungen vor. Einige Noten »radierte« er so heftig aus, dass sich Löcher ins Papier gruben. An anderen Stellen kamen ihm Zweifel, bevor die Tinte getrocknet war. Braune Schmierflecken zeugen von dem Versuch, das eben Geschriebene schnell wieder wegzuwischen. Mit energischen Strichen durchkreuzte er mehrere Takte und kritzelte das Wort »aus« daneben. Das Manuskript ist eine der letzten handgeschriebenen Partituren des Wegbereiters der Romantik. Der taube Beethoven schrieb sie im Sommer 1826 und übergab sie dem Verleger Matthias Artaria. Am 26.3.1827 starb er.
Der Öffentlichkeit stellt Sotheby's das Manuskript am 16. und 19. November in New York vor. Anschließend geht es nach London, wo es vom 28. November bis 1. Dezember gezeigt und dann versteigert werden soll: Schätzwert 1,4 bis 2,17 Millionen Euro.

Artikel vom 18.10.2005