Bielefeld (WB). Der »Rausch der Stille« stürzt unbedachte Schmökerer in einen Leserausch. Vorsicht, wer einfach losliest, könnte erst nach der allerletzen Seite wieder aufwachen. Ein Freiheitskämpfer zieht auf eine einsame Insel fernab aller politischen Fronten: Horror statt Frieden und Liebe statt Tod begleitet von einem unsäglichen Gemetzel - das sind die Stichworte einer temporeichen Handlung vor einer Kulisse, die eigentlich Langeweile pur bedeuten müsste. Aber weit gefehlt. Ein Leuchtturm, ein verwirrter Wärter, der neue Meteorologe, der hier am Ende der Welt Zuflucht sucht, treffen auf einander. Die Stille täuscht, denn Nacht für Nacht wird der Leuchtturm von aus dem dunklen Nichts bedroht - Wesen aus dem Wasser, dem Menschen nicht unähnlich, »Der ungewöhnlichste literarische Bestseller seit langem« urteilte Spaniens tonangebende Zeitung »El Pais«. Sie war zu Recht des Lobes voll. Albert Sánchez Piñol schreibt sein erstes Buch, einfach eine Abenteuer-Nachdenk-Beziehungs- Grusel-Existenzialismus-Geschichte in einem und in zwei dutzend Ländern landet der unbekannte Autor auf Bestsellerlisten. Es ist die geniale Story, die mit ihren verblüffenden Wendungen und schockartigen Erkenntnissen das Geheimnis des Erfolgs sichert. »Im Rausch der Stille« bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen Mensch und Kreatur und schöpft aus dieser Begegnung erzählerische Kraft. Die Grenzen zwischen Hochkultur und Unbekannt verschmelzen, die Liebe ergründet ein neues Terrain, phasenweise kommen machohafte Exzesse auf, die sehr bald entlarvt in sich selbst zusammenbrechen. Je mehr der Kampf tobt, um so lauter wird der Ruf nach Frieden, die Einsicht geht weite Wege und erkennt am Ende ihre vetrackte Wiederholung. »Ein dunkel leuchtendes Juwel, eine rauschhafte Obsession, ein fantastisches Meisterwerk«, schwelgt auch »El Mundo« in Superlativen. Stimmt, aber selber lesen ist noch besser. Reinhard Brockmann Albert Sánchez Piñol, Im Rausch der Stille, 18,90 Euro, 252 Seiten, S. Fischer Verlag.
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