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Empfindsam und hoch virtuos

Michael Endres im Kammerkonzert

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Mit Michael Endres empfahl sich ein Meister seines Fachs beim ersten städtischen Kammerkonzert im Kleinen Saal der Oetkerhalle. Der 1961 in Sonthofen geborene Pianist, der in Europa und den USA bei Klavierabenden gefeiert wird, konnte zwischen großer Empfindsamkeit und Virtuosität sämtliche Register pianistischer Kunst ziehen.

Da ist zum einen die frische, ungekünstelte Verspieltheit, die Endres in Mozarts Variationen über ein Menuett von Duport mit bemerkenswert fein austarierten Anschlagsnuancen auszuspielen versteht. Stellt er in den Ecksätzen mittels Agogik und pointierter Akzentsetzung eine lebendige Impulsivität her, folgt er im Mittelteil gefühlvoll-zart dem melodischen Fluss.
Eigentlich unverständlich, weshalb Endres, der im Programmverlauf mit manueller Überlegenheit und großem Einfühlungsvermögen glänzt, Felix Mendelssohn Bartholdys »Lieder ohne Worte« -Êacht der 36 -Êso nahtlos aneinander reiht. Dadurch kam der reiche, im Kleinen angelegte musikalische Kosmos nicht immer zum Tragen. Durch starkes Legathospiel und den übermäßigen Gebrauch des Hall-Pedals ging zudem viel von der ausgefeilten Agogik und Pointiertheit verloren, die Endres Spiel sonst so adelt. Auch die feinen Verflechtungen der ersten Sonate von Samuel Feinberg, von Endres filigran herausarbeitet, schienen manchmal unterm Pedalspiel zu verschwimmen.
Nach der Pause wirkt er konzentrierter, sein Spiel konziser und von der musikalischen Gestaltung stärker durchdacht. Ohne Mühe verarbeitet er die Stimmungsbrüche der Schumannschen Humoreske, die Raum geben zu tiefer emotionaler Versenkung wie zu bewundernswerten manuellen Finessen wie rasanter Vorschlagstechnik.
Gelegenheit zu virtuosem Glänzen verschaffen drei Tänze von Louis Moreau Gottschalk. Tückisch schnelle Läufe, die sich von Glissandi kaum noch unter scheiden lassen, meistert Michael Endres noch mit gebotener Trennschärfe, seine glasklaren Triller und sein abgefedertes Akkordspiel geben Anlass zu höchster Bewunderung. Daneben immer wieder diese durch nuancierte Tempogestaltung gesetzten Bewegungsimpulse, die noch in der Zugabe, einem Spieluhr imitierenden Stück von Pierre Sancan, herrliche Wirkung zeigten.

Artikel vom 19.10.2005