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Der Schutz des Kindes
ist erste Verpflichtung

Ärztliche Beratungsstelle vor 20 Jahren gegründet

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). »Unser erstes Ziel ist der Schutz des Kindes«, betont Ulrike Horst-Stapel, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin der Ärztlichen Beratungsstelle gegen Vernachlässigung und Misshandlung von Kindern. 1985 wurde die Stelle als eine der ersten in Deutschland gegründet. Der eigenständige Verein mit Sitz im Kinderschutzhaus an der Ernst-Rein-Straße 53 wird zu 60 Prozent von Stadt und Land finanziert, zu 40 Prozent aus Eigenmitteln (vor allem aus Spenden und Bußgeldern).

Erste Aufgabe sei es, so Ulrike Horst-Stapel, die gemeinsam mit Barbara Brune Kinder (und Eltern etc.) betreut, zu klären, ob und was passiert ist: »Dazu muss ein Vertrauensverhältnis geschaffen werden.« Das gelinge durch Spieltherapie - nach und nach würden sich die Kinder öffnen und spielerisch zeigen, was sie erlebt haben oder sogar darüber sprechen. Im Mittelpunkt stehe der Schutz vor weiterer Gewalt. So sei es entscheidend, den Kontakt zu demjenigen auszusetzen, der Gewalt ausgeübt hat.
Ulrike Horst-Stapel: »Es gibt immer Anzeichen. Kinder können auf einmal nicht mehr durchschlafen, nässen ein, sind aggressiv. Wird der Kontakt zu der Person unterbrochen, die in Verdacht steht, Gewalt auszuüben, stabilisieren sich die Kinder wieder.«
Im vergangenen Jahr gab es 95 Anfragen nach Beratung. Während die Zahl der Kinder, die geschlagen oder auf andere Art körperlich misshandelt werden, in der Beratung nicht gestiegen sei, gelte das nicht für Kinder, die sexuelle Gewalt erleben mussten. Bei 70 der 95 Beratungen war der Anlass zur Kontaktaufnahme sexuelle Gewalterfahrung. Ulrike Horst-Stapel: »Meist aus dem engsten Familienumfeld - und es sind immer mehr Jungen betroffen.« Sie betont, dass die Gewalt nicht unbedingt zugenommen habe, dass Eltern sich aber heute der Gefahren bewusster seien und Anzeichen beachten würden. Vor 20 Jahren sei das noch anders gewesen. Die Therapeutin: »Da wurde das oft abgetan als etwas, was es gar nicht geben konnte.«
Oft würden sich zum Beispiel Lehrer an die Beratungsstelle wenden, weil sie zwar einen Verdacht haben, aber nicht wissen, wie und ob sie reagieren sollen. Ulrike Horst-Stapel macht deutlich: »Wir garantieren absolute Vertraulichkeit, auf Wunsch auch Anonymität.« Zudem unterliege man der Schweigepflicht.
Auch würden Eltern beraten, die eine Anzeige bei der Polizei machen wollen. Man kläre darüber auf, was auf das Kind zukommen und welche Belastungen damit verbunden sind. Ulrike Horst-Stapel: »Manchmal ist es besser, mit einer Anzeige zu warten, um das Kind zu schonen. Sexuelle Gewaltanwendung an Kindern verjährt nicht.« Komme es aber zu Anzeige und Strafverfolgung, gehöre zum Beratungsangebot auch die Prozessbegleitung.
Die Ärztliche Beratungsstelle feiert ihr 20-jähriges Bestehen am Mittwoch, 19. Oktober, 14.30 Uhr, in der Kunsthalle. Zur Begrüßung spricht Prof. Dr. Horst von Bernuth, von Anfang an Vorsitzender.
Die Ärztliche Beratungsstelle ist montags bis freitags von 9 bis 12.30 Uhr und von 13.30 bis 17 Uhr unter der Telefonnummer 05 21 / 13 08 13 zu erreichen.

Artikel vom 18.10.2005