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Aus Lippe in die weite Welt

Eltern des künftigen Außenministers: »Frank wollte nie Politiker werden«

Von Christian Althoff
Brakelsiek (WB). Als Ursula Steinmeier am Samstag 76 Jahre alt wurde, stand unverhofft ihr Sohn Frank-Walter (49) mit seiner Frau und der neunjährigen Tochter vor der Tür. »Ich habe mich sehr gefreut, denn ich hatte nicht mit seinem Besuch gerechnet«, erzählt die Rentnerin. »Schließlich hat Frank jetzt als angehender Außenminister alle Hände voll zu tun.«
Das Elternhaus Frank-Walter Steinmeiers: Vater, Mutter und Bruder leben noch heute hier. Frank-Walter Steinmeier 1975 als Zeitsoldat in Diepholz und heute.

Das Haus von Ursula und Walter Steinmeier liegt am Rande des Ortes Brakelsiek, der zu Schieder-Schwalenberg gehört. »Wir sind echte Lipper«, sagt Tischler Walter Steinmeier (77), der als Hobby-Ahnenforscher den Ursprung seiner Familie bis 1705 zurückverfolgt hat. In Brakelsiek sind auch die beiden Söhne Dirk (43) und Frank-Walter (49) aufgewachsen. Der jüngere ist in der Heimat geblieben und arbeitet bei »Phoenix Contact« in Blomberg. Der ältere, der derzeit das Kanzleramt leitet, soll der künftigen großen Koalition als sozialdemokratischer Außenminister angehören.
»Wir waren überrascht«, gibt Walter Steinmeier zu. »Eigentlich wollte unser Sohn zusammen mit Gerhard Schröder abtreten und sich in Berlin als Anwalt niederlassen, um auch mehr Zeit für die Familie und seinen Garten zu haben.« Dass es anders gekommen ist, sei wohl seinen Fähigkeiten zuzuschreiben, vermutet die Mutter, die 1946 nach Brakelsiek gekommen war: »Frank ist keine Arbeit zu viel. Besonnen, ehrlich, vermittelnd, niemals aufbrausend - das sind wohl seine wesentlichen Eigenschaften. Und als sie ihn in der vergangenen Woche gefragt haben, konnte er nicht nein sagen.«
Abitur in Blomberg, Jura- und Politik-Studium in Gießen, Promotion mit »summa cum laude«, später Leiter der niedersächsischen Staatskanzlei unter Gerhard Schröder und zuletzt Chef des Kanzleramtes: Der Aufstieg des Lippers, der in seiner Jugend beim TuS 08 Brakelsiek gestürmt hatte, war steil. »Aber Politiker wollte Frank nie werden. Er wirkte lieber im Hintergrund, weil er auch keinen Hang zur Selbstdarstellung oder öffentlichen Auftritten hat«, sagt der Vater. Politik sei auch nie ein Thema gewesen, wenn er und seine Frau nach Berlin-Zehlendorf gereist seien, um Sohn, Schwiegertochter (sie arbeitet als Richterin) und Enkelin zu besuchen: »Wir sehen uns so selten - da gibt es wichigere Dinge, über die wir uns unterhalten«, sagt die Mutter, die aber zumindest weiß, dass es die oft behauptete Männerfreundschaft zwischen dem Kanzler und ihrem Sohn nicht gibt: »Die haben prima zusammengearbeitet - nicht mehr und nicht weniger.«
Die Frage, ob sie das neue Amt ihres Sohnes glücklich macht, beantwortet Ursula Steinmeier nur zögernd: »In den letzten Jahren hatte Frank selbst dann sein Handy am Ohr, wenn er mal eine halbe Stunde Zeit fand, seiner geliebten Gartenarbeit nachzugehen. Und ich fürchte, dass er künftig noch seltener zu Hause sein wird - was natürlich auch unsere Enkelin verkraften muss.« Auch seien nun die Zeiten vorbei, in denen ihr Sohn unbehelligt in Gärtnereien stöbern oder mit Frau und Tochter zum Urlaub nach Bozen reisen konnte: »Ohne Leibwächter wird er wohl nicht mehr aus dem Haus können.«
Immerhin, meint die 76-Jährige verschmitzt, werde sie ihren ältesten Sohn nun häufiger sehen: »Im Fernsehen, bei seinen Staatsbesuchen.« Und dabei, glaubt Walter Steinmeier, werde er eine gute Figur machen: »Frank hält nämlich nichts von dem üblichen Politiker-Geplapper, sondern meldet sich erst zu Wort, wenn es wirklich etwas zu sagen gibt.«

Artikel vom 18.10.2005