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6000 Seiten dicke Akten und 170 Zeugen

Die Ermittlungsgruppe »Fußball« beziffert den Gesamtschaden auf zwei Millionen Euro

Berlin (dpa). Skandal-Schiedsrichter Robert Hoyzer hofft auf Bewährung, Berlin erwartet einen Mammutprozess: Die Hauptverhandlung gegen den in die Wett- und Manipulationsaffäre verwickelten 26-jährigen Berliner Referee und fünf weitere Beschuldigte wird heute vor der 12. Strafkammer des Landgerichts von der Richterin Gerti Kramer eröffnet.Angeklagt: Dominik Marks.
Angeklagt: Steffen Karl.

Mit dem Prozess in Saal 500 des Kriminalgerichts beginnt nach neun Monaten Recherchen durch die 40-köpfige Sonder-Ermittlungsgruppe »Fußball« die juristische Aufarbeitung des größten deutschen Fußball-Skandals seit der 1971 ausgelösten Bundesliga-Bestechungs-Affäre.
Angeklagt sind neben dem geständigen Robert Hoyzer sein Referee-Kollege Dominik Marks (Stendal/30) und Ex-Bundesliga-Profi Steffen Karl (35) sowie die kroatischen Brüder Milan (40), Filip (37) und Ante Sapina (29). Ihnen wird in der 289 Seiten umfassenden Anklageschrift »gewerbs- und bandenmäßiger Betrug« vorgeworfen. Die Ermittlungsakten umfassen 6000 Seiten. Der Gesamtschaden der Wettbüros soll sich auf zwei Millionen Euro belaufen.
170 Zeugen sollen vernommen werden. Der Prozess ist auf 18 Tage und vorläufig bis zum 29. Dezember angesetzt. Haupt-Drahtzieher der Wett-Affäre soll Ante Sapina sein, der als einziger der sechs Angeklagten noch in Untersuchungshaft sitzt.
Er wird heute wie an den weiteren wöchentlich zwei Prozesstagen aus dem Gefängnis Moabit ins Landgericht gebracht. Der Geschäftsführer des Berliner »Café King«, das als die große »Brutstelle« des Manipulations-Skandals gilt, soll durch die Bestechung von Profis und Schiedsrichtern bei 23 Spielen Hunderttausende Euro Gewinn erzielt haben.
Allein beim Zweitligaspiel zwischen dem Karlsruher SC und dem MSV Duisburg am 3. Dezember 2004 soll Sapina 240 000 Euro gesetzt und 870 000 Euro gewonnen haben.
Laut Gericht müssen die Angeklagten im Falle des »banden- und gewerbsmäßigen Betrugs« mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren rechnen. »Einen Freispruch schließen wir aus. Aber die gesamte Anklageschrift beruht auf Aussagen von meinem Mandanten. Alle anderen sind dann erst später mit ihren Aussagen gefolgt«, kündigte Anwalt Thomas Hermes an, der für seinen Mandanten um eine zweijährige Bewährungsstrafe kämpfen will.
»Das Interesse ist riesig. Wir hatten im Prozess-Saal ursprünglich 40 Presseplätze, aber 53 Redaktionen haben sich akkreditieren lassen. Aber wir werden es packen«, bestätigte eine Mitarbeiterin der Justiz-Pressestelle.
Auf nur »ein blaues Auge« hofft indes der Kölner Anwalt Andreas Bartholomé für seinen Mandanten Steffen Karl: »Ante Sapina belastet Steffen Karl wahrheitswidrig. Wir werden nachweisen, dass einige Beschuldigungen falsch sind. Wir sind neugierig, wie Sapina vor Gericht auftreten wird.«

Artikel vom 18.10.2005