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SPD und Union verhandeln

Merkel präsentiert CDU/CSU-Minister - Streit um Seehofer

Berlin (dpa). Union und SPD haben vier Wochen nach der Bundestagswahl gestern offiziell die Verhandlungen über eine große Koalition aufgenommen. Zuvor hatte die Union nach internen Querelen ihre Kabinettsmannschaft vorgestellt.

Heute wählt der Bundestag bei seiner konstituierenden Sitzung eine neue Parlamentsspitze.
Die designierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Edmund Stoiber zeigten sich nach der ersten Gesprächsrunde am Abend überzeugt, dass ein stabiles Regierungsbündnis aus Union und SPD für die nächsten vier Jahre gelingen kann. Dies habe die Generalaussprache deutlich gemacht. Auch SPD-Chef Franz Müntefering zog eine positive Bilanz: »Das war ein guter Beginn«, sagte er nach der gut dreistündigen Sitzung im Willy-Brandt-Haus in Berlin-Kreuzberg.
Die zweite Runde findet am nächsten Montag bei der CDU im Konrad-Adenauer-Haus statt. Vorher sollen kleine Arbeitsgruppen das Treffen vorbereiten. An den Verhandlungen selbst nehmen von jeder Seite 16 Vertreter teil.
Merkel und Stoiber legten vor dem Treffen mit der SPD-Verhandlungsgruppe ihre Kabinettsliste vor. Neben Merkel als Kanzlerin und Stoiber als Wirtschaftsminister entfallen auf die Union weitere sechs Kabinettsposten.
Kanzleramtsminister soll Thomas de Maizière (CDU) und Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) werden. Das Familienressort übernimmt Ursula von der Leyen (CDU), Annette Schavan (CDU) wird Bildungsministerin. Franz Josef Jung (CDU) leitet das Verteidigungsministerium. Verbraucherschutz- und Agrarminister wird Horst Seehofer (CSU). Unionsfraktionschef wird der bisherige CDU-Generalsekretär Volker Kauder.
Kurz vor Beginn der Verhandlungen hatten sich Stoiber und Merkel einen Machtkampf um die Besetzung des zweiten Ressorts der CSU geliefert: Stoiber konnte Seehofer schließlich gegen den Wunsch Merkels und den Widerstand der eigenen CSU-Landesgruppe im Bundestag durchsetzen. Merkel, die mit Seehofer zerstritten ist, hatte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos als Verteidigungsminister ins Gespräch gebracht. Das Agrarministerium wäre damit an die CDU gefallen.
Bei der NRW-CDU ist die Personalauswahl auf Unmut gestoßen. Der Landesvorsitzende und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) reagierte gestern betont kühl auf die Entscheidung Merkels, keinen CDU-Politiker aus Nordrhein-Westfalen an den Kabinettstisch zu holen.
Müntefering erwartet mit der Regierungsmannschaft der Union eine tragfähige Zusammenarbeit. Zu dem Personaltableau von CDU und CSU sagte Müntefering: »Das sehen wir mit Respekt.«
Die vom designierten Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) ausgelöste Debatte über einen möglichen Verkauf von Autobahnen als neue Einnahmequelle ist auch in den eigenen Reihen auf Kritik gestoßen. Vor den Koalitionsverhandlungen warnte der SPD-Fraktionsvorstand vor vorschnellen Festlegungen. Auch seitens der Union wurde Ablehnung deutlich: »In Einmalerlösen liegt nicht die Lösung«, sagte der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Meister (CDU).
S. 2: Bundestag
S. 4: Hintergrund/Leitartikel

Artikel vom 18.10.2005