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Existenzgründungen
systematisch fördern

FH Bielefeld: Annette Görtz und andere gute Beispiele

Von Prof. Dr.
Beate Rennen-Allhoff
Bielefeld (WB). Fachhochschulen haben den Anspruch, ein qualifiziertes wissenschaftliches Studium mit Anwendungsbezug zu bieten. Von den Studierenden wird erwartet, dass sie am Ende ihres Studiums in der Lage sind, ihre wissenschaftlichen Kenntnisse und die erworbenen Fertigkeiten zur Lösung von Fragestellungen aus der beruflichen Praxis einzusetzen.

Auch Forschung und Entwicklung sind typischerweise anwendungsorientiert. Um den Praxisbezug immer aktuell zu halten, ist ein permanenter Austausch mit der Wirtschaft erforderlich, und vorzugsweise findet er mit der regionalen Wirtschaft statt. Die Zusammenarbeit der Fachhochschule (FH) Bielefeld mit der Wirtschaft findet auf mehren Ebenen statt:
l Entwicklung und Durchführung von Studiengängen,
l Forschung und Entwicklung,
l Existenzgründungen,
l Weiterbildung.
Im Zuge des sogenannten Bolognaprozesses werden gegenwärtig alle Studiengänge von der klassischen Diplomform auf eine gestufte Studiengangsstruktur mit Bachelor- und Masterabschluss umgestellt. Zu Beginn dieses Prozesses gab es sowohl innerhalb der Hochschule als auch in der Wirtschaft erhebliche Unsicherheit hinsichtlich der Akzeptanz der neuen Abschlüsse. Frühzeitig fand deshalb zunächst zwischen dem Rektorat und den Industrie- und Handelskammern eine allgemeine Abstimmung statt. Anschließend wurden in der Hochschule Eckpunkte für alle Bachelorstudiengänge beschlossen. Die auf dieser Basis entwickelten Grobkonzepte für Studiengänge in den Bereichen Wirtschaft und Maschinenbau wurden in einer nächsten Phase mit Unternehmensvertretern diskutiert, und die Ergebnisse flossen in die Feinkonzeption ein.
Die Kooperation in Forschung und Entwicklung spiegelt sich vor allem in der Einwerbung von Drittmitteln wider. Seit Jahren schneidet die FH Bielefeld im Landes-vergleich in den Drittmitteln deutlich besser ab als nach der Professorenzahl zu erwarten wäre. Zwei aktuelle Beispiele können die Zusammenarbeit von Hochschule und Wirtschaft auf diesem Feld illustrieren.
Im August wurde ein Projektantrag von Professor Joachim Bahndorf aus dem Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen als zweitbestes von 472 Vorhaben in der Förderrunde 2005 des Bundesprogramms FH3 eingestuft und erhielt damit eine Förderzusage. In dem Projekt geht es um die Entwicklung transparenter Gebäudehüllen. Kooperationspartner sind zwei Unternehmen und zwei Forschungsinstitute.
Ebenfalls im Spätsommer wurden Mittel in Höhe von rund 850 000 Euro für zwei Vorhaben aus dem Programm »Anrechenbarkeit beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge« des Bundesinstituts für Berufsbildung bewilligt. Aus Bundes- und EU-Mitteln werden in diesem Rahmen insgesamt elf Projekte an sieben Universitäten, einer weiteren Fachhochschule und einer IHK gefördert.
Bei dem Projekt von Professor Axel Benning geht es um Fortbildungen in den Wirtschaftsberufen, Partner sind die regionalen Indus-trie- und Handelskammern, der Deutsche Gewerkschaftsbund und drei Unternehmen.
Im zweiten Projekt der Professoren Barbara Knigge-Demal und Heiko Burchert werden funktions- und managementbezogene Fort- und Weiterbildungen in Pflege- und Gesundheitsberufen untersucht. Dabei wird mit Fort- und Weiterbildungseinrichtungen, Wohlfahrtsverbänden, Ministerien, Kammern und Berufsverbänden zusammengearbeitet. Im Vordergrund steht jeweils die Entwicklung und Erprobung von Verfahren zur Anrechnung erworbener Qualifikationen und Kompetenzen. Ziel ist die Verbesserung der Durchlässigkeit von Bildungswegen.
Besonders transfer- und forschungsaktiv ist unter anderem auch der Fachbereich Maschinenbau mit seiner technologischen Leistungskraft, der sich als einer der Initiatoren im Branchennetzwerk OWL Maschinenbau e.V. engagiert.
Aufmerksamkeit wird gegenwärtig - auch im Hinblick auf die Entwicklung der Region - dem Thema Existenzgründung gewidmet. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Existenzgründung ist Annette Görtz. Nach ihrem Diplom in Modedesign an der FH Bielefeld machte sie sich 1984 selbstständig und gründete 1980 zusammen mit ihrem Ehemann die Görtz-Welsch Modedesign GmbH mit dem Modelabel »annette görtz«. Die Firmenzentrale ist in Gütersloh, es gibt heute Monolabelshops in Berlin, Lille und Moskau, und bei den großen internationalen Messen in Düsseldorf, Berlin, Kopenhagen und Paris ist Annette Görtz mit Showrooms vertreten.
Anders verlief die Unternehmensgründung im Falle des Unternehmens Ceres Vision. Hier gründeten 2002 fünf Studierende (inzwischen Absolventen) des Studiengangs Produktentwicklung zusammen mit dem Leiter des Labors für Bildverarbeitung, Professor Reinhard Kaschuba, und einem industriellen Partner, der Hettich-Gruppe in Kirchlengern, eine GmbH. Ziel des Unternehmens ist Entwicklung und der Vertrieb von Inspektionsanlagen für die Prüfung von Produktqualitäten. Die Mitarbeiterzahl ist kontinuierlich gestiegen, inzwischen hat Ceres Vison zwölf Mitarbeiter, zum neuen Kalenderjahr sollen mindestens drei weitere Mitarbeiter eingestellt werden.
Um systematisch tragfähige Existenzgründungen zu fördern, wurde 2003 Professor Thomas Plümer vom Fachbereich Wirtschaft zum Existenzgründungsbeauftragten der Hochschule ernannt. Er entwickelte ein entsprechendes Konzept, das inzwischen über zwei Jahre erprobt wurde. Im kommenden Jahr sollen diese Aktivitäten durch ein auf fünf Jahre angelegtes Projekt forciert werden.
www.fh-bielefeld.de

Artikel vom 22.10.2005