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In mühsamen Schritten
zurück ins normale Leben

Forum für Kreativität und Kommunikation präsentiert »Elling«

Von Christina Ritzau (Text und Foto)
Bielefeld (WB). Gegensätzlicher als Elling und Kjell Bjarne können zwei Menschen kaum sein. Ängstlich und schüchtern ist der eine, scheinbar hemmungslos und ruppig der andere.

Und trotzdem harmonieren die beiden, nachdem sie sich sprichwörtlich zusammengerauft haben . . .
Die beiden Hauptpersonen des Theaterstücks »Elling«, das vom Forum für Kreativität und Kommunikation neu inszeniert wurde, lernten sich in der Psychiatrie kennen. Dort, wo die Menschen vom normalen Leben isoliert, einsam und von der Gesellschaft als verrückt abgestempelt sind, entwickelte sich eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden Männern. Diese Freundschaft ist für sie unglaublich wichtig, denn nur gemeinsam können sie es schaffen, erneut ein »Teil des Alltags« zu werden.
»Wieder in die Wirklichkeit eintreten« lautet die Aufgabe, die Sozialarbeiter Frank den beiden Männern stellt. Deshalb stellt man Elling und Kjell Bjarne, gespielt von Dirk Wittke und Martin Achterkamp, probeweise eine eigene Wohnung zur Verfügung. Mit dieser neu gewonnenen Freiheit können die beiden anfangs nicht umgehen. Schon selbstverständliche Dinge wie einkaufen und Telefonanrufe annehmen bereiten ihnen Probleme. Der so stark aussehende Kjell Bjarne fürchtet sich wie ein kleines Kind vor der Schlange an der Kasse im Supermarkt, und Elling hat panische Angst vor dem Telefon. Andreas Bentrup in der Rolle des Frank hilft den beiden Männern, ihre Angst zu bewältigen. Er stellt sie vor immer neue Aufgaben, zum Beispiel raus aus der Wohnung, etwas unternehmen und Leute kennenlernen.
Auf jeden mühsamen Schritt nach vorn folgt ein kleiner Schritt zurück. Die beiden Männer fühlen sich oft überfordert. Elling vermisst seine Mutter, mit der er bis zu ihrem Tod in intensiver Zweisamkeit lebte, und Kjell Bjarne geht es schlecht, sehnt er sich doch nach Liebe, vor allem im körperlichen Sinn.
Im Laufe des Theaterstücks vollzieht sich ein Rollentausch. Nicht mehr Elling gibt den Ton an, sondern Kjell Bjarne. Er scheint plötzlich vernünftig und pflichtbewusst zu sein, während Elling durch seine Angst vor der Wirklichkeit wie gelähmt ist. Als Kjell Bjarne am Weihnachtsabend eine betrunkene und schwangere Frau, gespielt von Sonja Bennefeld, im Treppenhaus findet und sich wenig später in sie verliebt, wird Elling bewusst, dass er Angst hat, seinen Freund zu verlieren. Bei der Suche nach seiner Lebensaufgabe, entdeckt er den Poeten, der in ihm schlummert. Als schließlich das Kind von Kjell Bjarnes Freundin geboren wird, ist das Ziel erreicht: Die beiden Männer haben mit vereinten Kräften den Sprung zurück in die Wirklichkeit geschafft.
Langanhaltender Beifall und ein ausverkaufter Saal bei allen drei Vorstellungen zeigen, dass »Elling« das Publikum mit seiner außergewöhnlichen Geschichte begeistert. Nach der erfolgreichen Premiere in Bielefeld geht das Forum für Kreativität und Kommunikation mit dem Theaterstück demnächst auf Tour.

Artikel vom 18.10.2005