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Bienen fliegen mit gräflicher Erlaubnis

Jutta und Arno Dietrich betreiben ihre Hobby-Imkerei neben dem Schloss Tatenhausen

Von Klaus-Peter Schillig
Halle-Bokel (WB). Der Ortsteil wird bestimmt vom Wasserschloss Tatenhausen, »der Kreuzung« und von Landwirtschaft. Bokel aber hat noch viel mehr zu bieten, was sich zu erzählen lohnt. Das WESTFALEN-BLATT startet deshalb heute eine neue Serie: »Bokeler Geschichten«.

Arno Dietrich kann kaum noch aus den Augen schauen, als er aus dem Tatenhausener Wald zurückkehrt. Die Stiche sind kaum zu zählen, die ihm die Bienen im Gesicht zugefügt haben. »Lehrgeld« ist es aus heutiger Sicht, das der noch unerfahrene Neu-Imker bezahlen muss. Erst später erfährt er die Ursache: den dicken Woll-Pullover hätte er besser nicht angezogen. Der weckt bei den Bienen Ur-Ängste vor ihrem schlimmsten Feind, dem Bären. Und wer sich so »verkleidet«, muss sich über einen Angriff der kleinen Honigsammler nicht wundern.
Stiche sind seitdem selten geworden für die Bokeler Jutta und Arno Dietrich. Zum einen haben sie selbst dazugelernt, seitdem sie 1991 als blutige Anfänger die Bienenzucht ihres Vaters übernommen haben. Zum anderen sorgen moderne Zuchtmethoden auch dafür, dass die durchaus immer verteidigungs-bereiten Insekten wesentlich friedlicher geworden sind. Die Imker-Ausstattung mit Hut und Netz sowie stichfesten Handschuhen ist eingemottet. Durch Kreuzungen ist es nämlich gelungen, den Königinnen - und damit auch ihren Nachkommen - etwas mehr Zurückhaltung anzuerziehen. Und auch noch andere positive Eigenschaften: sie stechen nicht nur selten, sondern haben auch wenig Lust am Schwärmen, sie sammeln eifrig Nektar und Pollen, sind brutfreudig und krankheitsresistent.
Mehrere 100 000 Bienen aus mehreren Völkern sind es, die neben dem Haus der Dietrichs an der Versmolder Straße starten, um vor allem im Frühjahr die Zutaten für guten Honig zu sammeln. Sie sorgen gleichzeitig dafür, dass die Obstbäume in den Bokeler Gärten bestäubt werden - und dass »Leben im Tatenhausener Wald ist«. Mit diesem Argument nämlich hatte vor vielen Jahren der inzwischen verstorbene Graf Max von Korff-Schmising dem eigentlich in Bünde wohnenden Vater von Jutta Dietrich erlaubt, seine Bienenstöcke regelmäßig auch in die Wälder rund ums Schloss zu bringen. Dass die Erzieherin (in Bethel) und ihr Mann ausgerechnet fast neben dem Schloss vor 18 Jahren ihr Haus gefunden haben, bezeichnet Jutta Dietrich heute als Fügung. Denn der Wald mit seiner vielfältigen Vegetation und dem hohen Grundwasserstand sei ideal für die Bienenzucht.
Die Bokeler Nachbarn schätzen allerdings nicht nur den Waldhonig, den die Hobby-Imker von nebenan produzieren, sondern nehmen auch gern den reinen Rapshonig. Der stammt von den Wertheraner Lehmböden und sei deshalb besonders aromatisch, schwärmt die Chefin der fleißigen Sammlerheere.
Sie und ihr Mann engagieren sich auch im Haller Imkerverein, der Überlieferungen zufolge bereits fast 100 Jahre alt sein soll. Sie zeigen faszinierten Schulklassen, wie gefahrlos man mit Bienen umgehen kann und helfen auch interessierten »Jung-Imkern« mit Rat und Tat bei den ersten Gehversuchen. So zuletzt einem Tierarzt, der für den Ruhestand ein sinnvolles Hobby suchte.

Artikel vom 18.10.2005