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Skifahrerfüße in V-Stellung

Weltcup-Erkenntnisse sollen das Skifahren komfortabler machen

Ried (WB). Der blaue Himmel macht gute Laune, die Piste fordert alle Kräfte. In der Hütte weckt das Speckbrot neue Energie für den Nachmittag. »Der Ermüdungszustand tritt zwischen 15 bis 15.30 Uhr ein«, erklärt Dr. Hubert Hörterer den Skifahrer-Biorhythmus. Der leitende Mannschaftsarzt des Deutschen Skiverbandes (DSV) und medizinische Leiter der Rehabilitationsklinik Medical Park Bad Wiessee St. Hubertus behandelt neben Weltcup-Läufern auch Freizeit-Fahrer. »Beim Skisport kommt es auf den Stand an. Falsche Körperhaltung, unbewusste Verkrampfung, mangelnde Fitness und Erschöpfung fördern Kreuzbandriss & Co.«

Skifahren macht Spaß und ist wie jeder Sport gesund. Aber gewisse Risiken gibt es. Allerdings können Skifahrer Verletzungsrisiken zum größten Teil selbst einschränken.
Anstehen belastet: Skifahren besteht zu einem Drittel aus Fahren und zu zwei Dritteln aus Gehen und Stehen. Die langen Warteschlangen zerren nicht nur an den Nerven. Die durch die Skischuhe bewirkte Kniebeugehaltung belastet die Knie. »Beim Anstehen verringert man diesen Druck auf die Kniescheiben-Rückflächen, indem man die Knie ausstreckt und sich nach vorne lehnt«, rät Hörterer als Abwechslung zu der Dauerhaltung im Stehen.
Ausgeglichenheit auf der Piste: Die Mischung macht's! Ein vernünftiges Sport-Programm aus steilen Buckel-Pisten, vereisten Hängen und dann wieder relaxten Panorama-Abfahrten ermöglicht dem Knie auch hin und wieder eine Atempause. Durch vorausschauendes Fahren vermeiden selbst dynamische Skifahrer spontane Bremsbewegungen, die die Gelenke mit extremem Druck oder Stößen überraschen.
Drei Verletzungsmechanismen sind typisch für die Knieunfälle von Hörterers Patienten. Die einen bleiben im Tiefschnee oder auf der hügeligen Piste auf der Innenkante hängen. »Das Knie wird nach außen gedreht. Die Folge sind meistens Verletzungen des vorderen Kreuzbandes, des inneren Seitenbands oder des Meniskus«, berichtet der Sportmediziner. Beim Sprung über unerwartete Bodenwellen überstreckt das Knie nach hinten und das vordere Kreuzband hält der Belastung nicht Stand. Beim unglücklichen Aufkommen von Sprüngen kompensiert der Oberschenkelmuskel den Sturz, indem er übermäßige Kräfte entwickelt und damit den Unterschenkel nach vorne zieht. Ein ungesunder Mechanismus, den das Knie nicht aushält.
Richtige Standposition: Wenn der Skifahrer mit den Fußspitzen ein wenig nach außen gedreht im Skischuh steht, wirkt sich diese so genannte »somatische« Bein-/ Fuß-Stellung auf den ganzen Körper gelenk- und muskelschonend aus.
Denn dadurch wird die natürliche Knie-/Hüftstellung berücksichtigt. Dr. Hörterer empfiehlt, Skischuh-Modelle zu wählen, die, mit einer neuen Technologie ausgestattet, diese Fußstellung in V-Form ermöglichen. Seine Untersuchungen zeigen: »Gebeugt gehen die Knie weniger in X-Beinstellung und der gesamte Bewegungsapparat wird effektiver vor Fehlbelastungen geschützt.« Die Bein-/Fußstellung in V-Form wirkt sich bei sportlichen Betätigungen auf den ganzen Körper gelenk- und muskelschonend aus. Denn dadurch wird die natürliche Knie- und Hüftstellung berücksichtigt.
Bei geringem Krafteinsatz wechselt der Sportler dynamischer die Kanten und läuft weniger Gefahr, auf der Außenkante hängen zu bleiben.
»Gutes Wetter und angenehme Schneeverhältnisse auf präparierten Pisten, die nicht mit vielen anderen Skifahrern überfüllt sind, erleichtern die ersten Skifahr-Tage. Man sollte vernünftig fahren und nicht gleich die schwersten Abfahrten wählen. Wenn dem Knie nicht zu viel Belastung und dem Gehirn nicht zu schnelle Reaktionszeiten abverlangt werden, dann gewöhnt sich der Körper relativ schnell wieder an die Bewegungsabläufe beim Skifahren«, ermuntert der Sportmediziner.
Auf und neben der Piste aufwärmen: Vor jeder ersten Abfahrt sollten die Knie und die Muskeln durch lockere Kniebeugen, Wippen in der fahrbereiten Position und durch skifahrtypische Bewegungen im Skischuh und auf dem Ski, zum Beispiel durch Aufkanten, aufgewärmt werden.
Klassische Dehnübungen des Ober- und Unterschenkels, wie das Aufstellen eines der beiden Skier, sollte zur Gewohnheit vor jeder ersten Abfahrt werden. »Aber Vorsicht: Bei besonderer Kälte sollte die Muskulatur nur durch leichtes Vordehnen vorbereitet werden, sonst gibt es Zerrungen«, warnt Dr. Hörterer.
Ausgleichendes Urlaubsprogramm: In der Früh lohnt es sich, abwechselnd mit einem angehobenen Bein ein paar Minuten lang auf einem gebeugten Standbein Achterkreise in die Luft zu schreiben. Dieses »propriozeptive« Training stärkt die Kniemuskulatur und trainiert die Reaktionsfähigkeit des Gehirns. Nicht nur Glühwein entspannt am Nachmittag. Sportler sollten ihrer Durchblutung auch im Whirlpool oder in der Sauna auf die Sprünge helfen. Dann lockern sich die Beine für die Disco und für den nächsten Tag - ohne Muskelkater!
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Artikel vom 21.10.2005