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Steinbrück schließt Steuersenkungen aus

Designierter Bundesfinanzminister denkt über den Verkauf des 12 000 Kilometer langen Autobahnnetzes nach

Berlin (dpa). Als neue Einnahmequelle für den maroden Haushalt denkt der designierte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) auch über den Verkauf des Autobahnnetzes nach. »Wir müssen das sorgfältig abwägen.«
In der »Bild am Sonntag« betonte Steinbrück, »die Diskussion darüber beginnt gerade, und ich bin in keiner Weise festgelegt.« Er fügte hinzu: »Das meiste, was der Staat an Vermögen und Beteiligungen hatte, ist bereits verkauft. Da gibt es keinen goldenen Topf mehr unter dem Regenbogen.«
Nach Informationen der Zeitung hat das Bundesverkehrsministerium bereits konkrete Berechnungen erstellen lassen, wie viel der Verkauf des 12 000 Kilometer langen Autobahnnetzes in Deutschland einbringen könnte. Ein Sprecher von Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) sagte dazu gestern, im Verkehrsministerium gebe es keinerlei Überlegungen für einen Verkauf des Autobahnnetzes. Bei dem Gutachten, das aus dem Jahr 2002 stamme, sei es darum gegangen, die Wegekosten für die Lastwagen-Maut zu berechnen.
Laut Zeitung bezifferte das Institut »Prognos« den Wert des Autobahnnetzes auf 127 Milliarden Euro. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung habe für Autobahnen und Bundesstraßen zusammen den Wert von 213 Milliarden Euro genannt. Mit dem Verkauf der Autobahnen ließe sich die Bundesschuld von derzeit 890 Milliarden Euro um 15 Prozent senken.
Steinbrück schloss angesichts der desolaten Haushaltslage in Deutschland Steuerentlastungen aus. »Weitere Steuersenkungen sind völlig unrealistisch«, sagte er. »Es darf keine Versprechungen geben, die vom Haushalt nicht mehr gedeckt sind«.
Die Bundesrepublik habe nach der Slowakei schon jetzt die niedrigste Steuerquote in ganz Europa. Steinbrück bekräftigte zugleich, dass er harte Sparvorgaben aus Brüssel erwarte, damit Deutschland den Euro-Stabilitätspakt im Jahr 2007 wieder einhält.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) forderte ein »massives Haushaltsstrukturgesetz mit enormen Einschnitten«. Dabei könne man auf die Liste zum Subventionsabbau zurückgreifen, die er 2003 mit Steinbrück verfasst habe. Es sei nur die Frage, ob der »Rasenmäher« »diesmal 12, 24 oder gar 30 Prozent« an Subventionen abschneide. Auch soziale Zuwendungen müssten angetastet werden. Koch rechnet fest mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer. Zur Sanierung des Haushalts und zur Senkung der Lohnnebenkosten »können wir nicht darauf verzichten.«
Nach den Worten Steinbrücks »stellt niemand in Abrede«, dass künftig in jedem Jahr eine zweistellige Milliardensumme eingespart werden müsse. Er rechne damit, dass die EU-Kommission die Einhaltung des Stabilitätspaktes von 2007 an »nicht nur erwartet, sondern konkret fordern wird«. Darauf müssten sich alle einstellen. »Fluchten aus der Realität werden bitter bestraft.«
Der Unionshaushaltsexperte Steffen Kampeter (Minden) hat die SPD zu konkreten Einsparvorschlägen in der Arbeitsmarktpolitik aufgefordert, wenn sie die von der Union vorgeschlagene Mehrwertsteuererhöhung nicht mitgehen will. Für unverzichtbar halte er das Ziel, die Lohnnebenkosten um zwei Prozentpunkte zu senken, sagte der CDU-Politiker am Samstag. Zu deren Finanzierung sei für ihn »eine Mehrwertsteuererhöhung nach wie vor unabdingbar«. Allerdings sei die Union offen, über Alternativen zu sprechen.
»Dann muss die SPD konkrete Einsparvorschläge in zweistelliger Milliardenhöhe im Bereich Arbeitsmarktpolitik machen«, sagte er. Das müsse die Bereiche Arbeitslosengeld II - etwa das Abstellen von Missbräuchen auch durch gesetztgeberische Anpassungen - und die Bundesagentur für Arbeit betreffen.

Artikel vom 17.10.2005