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35 Euro für 90 Stunden Arbeit

Aktion gegen Zulieferer von Tchibo

Von Bernhard Hertlein
Hamburg/Dhaka (WB). Tchibo feiert in diesen Tagen das 50. Jubiläum der ersten Tchibo-Filiale in der Hamburger Innenstadt. Damit verbunden sind neue große Vorhaben wie die Gründung der Dessous-Fachmarktkette »Richard«. Gerade jetzt jedoch muss sich Tchibo mit scharfer Kritik an seiner Beschaffungspolitik auseinandersetzen.
Tchibo - Gewinn zuletzt 569 Millionen Euro -Êsteht im Jubiläumsjahr in der Kritik. Foto: dpa

Die Kritik der Aktion »Saubere Kleidung«, von »Terre des femmes«Êsowie einiger Dritte-Welt-Gruppen entzündet sich nicht etwa am Ursprungsprodukt, dem Röstkaffee. Längst ist Tchibo mit seinen 1000 Filialen zu einem Allerweltshändler geworden. Unter dem Slogan »Jede Woche eine neue Welt«Êbietet er auch Haushaltswaren und Schmuck, Versicherungsverträge und eben Textilien zu Niedrigpreisen.
Letztere sind gegenwärtig der Stein des Anstoßes. Tchibo lässt sie zu einem großen Teil in Bangladesch produzieren -Êvon Arbeiterinnen, die für eine 90-Stunden-Woche einschließlich Überstunden gerade mal 35 Euro monatlich erhalten. Das reicht auch in Bangladesch nur zu einem Leben im Slum.
Eine der Arbeiterinnen, die derzeit auf Einladung der Kampagne »Saubere Kleidung« in Deutschland unterwegs sind, wagte es, gegen eine willkürliche Kürzung dieses mageren Lohnes zu protestieren. Der Tchibo-Zuliefererbetrieb rief die Polizei. Rigum Begum wurde geschlagen und verbrachte daraufhin neun Tage im Gefängnis. Ihren Job war sie ebenfalls los.
Die Tchibo-Zentrale in Hamburg verweist auf einen »Code of Conduct«, der solches Verhalten der Zulieferer verbiete und den die Firma in Bangladesch unterschrieben habe. Offenbar aber mangelt es an der Kontrolle. Im Frühjahr waren mit KarstadtQuelle und der Steilmann-Gruppe bereits zwei andere deutsche Handelskonzerne wegen Bangladesch in die Kritik geraten. Damals starben beim Einsturz eines neunstöckigen Fabrikgebäudes in Savar bei Dhaka 64 Textilarbeiter. Einfachste Sicherheitsstandards waren nicht eingehalten worden. Die Fabrikbesitzer produzierten unter anderem für deutsche Abnehmer.

Artikel vom 17.10.2005